Produktivster Kopf

Oskar Negt über Alfred Sohn-Rethels späte Anerkennung  ■ GASTKOMMENTAR

Eine Ehrung Alfred Sohn Rethels kann nicht ohne Bitternisse und unzeitgemäße politische Betrachtungen über die Bühne gehen.

Wer das Glück hat, 90 Jahre alt zu werden und das sprichwörtliche biblische Alter erreicht hat, kann den kleinen Ausgleich für die Jahrzehnte verweigerter Anerkennung und erlittenen Unrechts noch zur Kenntnis nehmen. Irgendetwas am Neuanfang der Universitäten nach 1945 im Teilstaat der Bundesrepublik muß so grundsätzlich falsch gelaufen sein, daß wohl die, die kräftig mitgemacht hatten, und auch die vielen anderen, die mit eingezogenem Kopf die Zeit überlebten, nach dem Ende des Scheckens sich selber einreden konnten, sie seien im Widerstand gewesen, und nicht die, die vertrieben wurden. Es waren nicht einzelne, sondern es war eine ganze Generation der produktivsten Köpfe, die Deutschland verlassen mußte: Adorno, Horkheimer, Bloch, Kracauer, Walter Benjamin, Lukacs und viele andere, die weniger bekannt sind.

In diese Gesellschaft von produktivsten Köpfen des 20. Jahrhunderts gehört Sohn-Rethel.

Aus der Laudatio für Alfred Sohn-Rethel