Unter dem Sand, da lagert das Gift

■ Kripo erwischte gleich drei Transport-Unternehmer bei illegaler Abfallbeseitigung / Ölverseuchte und benzinverschmierte Böden bei der Blocklanddeponie nicht losgeworden und dann einfach in eine Sandkuhle bei Diepholz gekippt

In Vegesack, im Wassereinzugs bereich des Wasserwerkes Blumenthal, gibt es eine Sandkuhle. Dort hat der Sandlieferant und Transportunternehmer Volker Siedenburg seit vielen Jahren gelben Sand gebuddelt und abtran-sportiert. Wo Sand abgefahren wird, entsteht ein Loch. Und mit diesem Loch läßt sich wiederum Geld verdienen. Zumindest, wenn man wie Siedenburg eine behördliche Genehmigung hat, daß in die Kuhle Straßenaushub gekippt werden darf, nur Stra ßenaushub allerdings.

Löcher, wie das in Vegesack, sind aber auch beliebte Plätze, um Bauschutt oder Schlimmeres zu verbuddeln. Und da die Umwelt-Polizei bereits mehrere Male festgestellt hatte, daß in Siedenburgs Loch auch anderes verschwand, lud sie ihn zur Vernehmung vor. Dabei erzählte der Sandmann, daß Fuhrunternehmer immer wieder und mit allen Tricks versuchten, ihren Abfall loszuwerden und gab dann zu Protokoll: „Und was sie bei mir nicht loswerden, das karren sie nach Niedersachsen. Ich weiß, wovon ich spreche.“ Gegen den Sandhändler wurde ein Verfahren wegen unweltgefährdender Abfallbeseitigung eingeleitet. Und weil das Bauamt Bremen -Nord zwar Kenntnis von Unregelmäßigkeiten hatte („Der hat schon 'ne Menge Sachen gedreht“, so die Behörde auf telefonische Anfrage), aber nichts dagegen unternahm, prüft jetzt die Staatsanwaltschaft, ob gegen die Verantwortlichen ein Verfahren wegen

unterlassener Kontrollen eingeleitet wird. Dazu der Leiter des Bauamtes: „Wir können doch nicht immer daneben stehen.“ Soweit Fall Nummer eins.

Fall Nummer zwei, der den Hinweis auf illegale Abfallbeseitigung im Niedersächsischen bestätigt: In der Neuenlander Straße wechselte eine Tankstelle den Besitzer. Wo bis vor kurzem die Shell-Muschel prangte, soll künftig Texaco aus der Zapfsäule kommen. Bevor umgebaut werden konnte, mußten große Mengen benzin-und ölverschmutzten Bodens abgefahren werden. Was tun? Unternehmer A, der den Boden aus der Umgebung des Benzintanks abfahren sollte, bekam von einem Beamten des Wasserwirtschaftsamtes die Auflage, daß die Erde erst ausdünsten müsse, bevor sie auf der Blocklanddeponie abgelagert werden dürfe. Kaum war der Beamte weg, fuhr der Transporterunternehmer - zur Blocklanddeponie. Dort wurde er von aufmerksamen Angestellten erwischt und am Abladen gehindert.

Fall 3: Unternehmer B, Bruder von A und ebenfalls mit der Beseitigung des Giftbodens beauftragt, wählte darauf einen anderen, einfacheren Weg. Der Mann ist nämlich glücklicher Besitzer einer Sandkuhle im Landkreis Diepholz. Was kommt billiger, als die Benzinerde illegal in die Grube zu kippen. Und so landeten etwa 800 Tonnen in der Sand-Kuhle. Ersparnis: Rund 76.000 Mark. Kostet doch das Verbrennen der Erde in der Bremer Müll

verbrennungsanlage 95 Mark pro Tonne. Folge: Der Boden in der Sandkuhle ist jetzt mit 1.740 bis 1.980 mg/l Kohlenwasserstoffen verseucht. Bei Werten über 1.000

mg/l muß für viel Geld saniert werden.

Für Kriminal-Hauptmeister Peter Vogel, zuständig für Umweltdelikte, war das Zusamen

treffen dieser Fälle Anlaß, gestern vor der Presse Grundsätzliches zur illegalen Abfallbeseitigung zu sagen. Nach seiner Einschätzung sind Fälle wie die be

schriebenen an der Tagesord nung. Allein im Landkreis Diepholz gibt es 60 Sandkuhlen und die Sandabräumer unterhalten fast alle nebenher ein Transport-Unternehmen. Vogel: „Wenn nicht konsequent überwacht wird, nutzen viele Fuhrunternehmer jede Chance, ihren Abfall billig loszuwerden. Dann wird Sand drüber gekippt und schon ist es weg.“

Wird ein Unternehmer mehr oder weniger per Zufall mal erwischt, drückt Justitia schon mal das ein oder andere Auge zu. Zwar liegt der obere Strafrahmen für umweltgefährdende Abfall-Beseitigung bei drei Jahren Knast, in Bremen wurde allerdings erst einmal eine Haftstrafe verhängt: Drei Monate auf Bewährung.

Immerhin: Die Polizei verspricht, daß sie sich künftig vermehrt um illegalen Mülltourismus kümmern will und findet obendrein strake Worte: „Es handelt sich nicht um Kavaliersdelikte, sondern um solche mit hoher sozialethischer Verwerfbarkeit.“

hbk