Terror gegen Libanesen

■ In der Gemeinde Stuhr wird eine asylsuchende Familie seit Monaten von Unbekannten bedroht

„Ausländer raus, verschwin det!“, stieß die vermummte Gestalt hervor, als die Wohnungstür geöffnet wurde, und verschwand. In der Wohnung im Stuhrer Ortsteil Heiligenrode in der Nähe von Bremen lebt eine sechsköpfige libanesische Familie, die vor zwei Jahren aus ihrer vom Bürgerkrieg erschütterten Heimat geflohen war und in der Bundesrepublik Asyl beantragt hat.

Als der Vermummte klingelte, hatte die Familie, deren Kinder zwischen einem und zehn Jahre alt sind, bereits einen monatelangen Telefonterror hinter sich. Bis zu zehn Mal läutete das Telefon während der Nacht. Trotz der ungewöhnlichen Zeit nahm der Vater den Hörer ab, weil der Anruf von Verwandten aus dem Libanon kommen könnte. Als die Familie schließlich eine Geheimnummer beantragte und auch bekam, schickten die Terroristen Haßbriefe. Mitte Januar warfen sie einen Stein durchs Wohnzimmerfenster.

„Das sind ganz liebe Leute, eine richtige Musterfamilie“, sagt Ingrid Bauer, die im selben Haus wohnt, über ihre libanesischen NachbarInnen. Nach den Attacken durften die Kinder kaum noch draußen spielen. Als der völlig entnervte Vater einmal vom Zimmerfenster aus beobachtete, wie sie mit einem Mann sprachen, stürzte er hinaus und riß seine Kinder weg; der Mann hatte sich ganz freundlich mit den Kindern unterhalten. Die Mutter erträgt den Terror zumindest äußerlich gefaßt, der Vater muß inzwi

schen Beruhigungsmittel schlucken.

Nach dem Steinwurf waren NachbarInnen, die der Familie schon länger geholfen hatten, so alarmiert, daß sie mit weiteren FreundInnen nächtliche Wachen organsierten und bei der Gemeinde vorstellig wurden. Darüberhinaus wollen die rund 20 Leute, die sich vergangene Woche zum ersten Mal getroffen haben, in Stuhr Aufklärungsarbeit gegen den offensichtlich gewordenen Ausländerhaß leisten.

Die Gemeinde hat inzwischen am Haus eine Lichtanlage installiert, Rolläden sollen montiert werden. Durch die Unterstützung der deuschen FreundInnen hat die Familie ein wenig Mut geschöpft. „Fast wie Herkules“ fühle er sich durch die Hilfe, sagt der Vater. Die Kinder dürfen wieder für kurze Zeit alleine auf die Straße.

Junge Leute aus Heiligenrode sind nach Meinung der Gemeindeverwaltung verantwortlich für den Terror. Es gebe in der Gemeinde Stuhr 25 Unterkünfte für AsylbewerberInnen, aber allein die libanesische Familie in Heiligenrode sei Opfer einer solchen Hetzkampagne, erläutert Sozialamtsleiter Jürgen Kruse. Erste ausländerfeindliche Schmierereien seien in Heiligenrode aufgetaucht, gleich nachdem bekanntgeworden war, daß die libanesische Familie kommen werde. „Wir hoffen, daß die Leute gefaßt werden,“ sagt Jürgen Kruse, „die Polizei hat zugesagt, verstärkt Streife zu fahren.“

Gaby Mayr