Zuviele Kulturkicker

■ Alemannia Aachen - Blau-Weiß 90 3:0 / Hoss trotz der Niederlage: „Eigentlich waren wir auf vielen Positionen optimal besetzt“ / Tabellenführung futsch

Lob bekam der gestürzte Tabellenführer Blau-Weiß in Aachen reich- lich: Eigentlich, nuschelte ihr Trainer Hoss nach dem Spiel vor sich hin, waren die Seinen „auf vielen Positionen optimal besetzt“. Aachens Kollege Neururer, der beste Sprücheklopfer unter den Fußballehrern hierzulande, bescheinigte den Berlinern generös, „fußballerisch, also von der Kultur her“ das bessere Team gewesen zu sein.

Doch im Kampfspiel um die Lederkugel zählen nicht perfekte Einzelartisten und Kulturkicker. Da gilt es, so Hossens richtige Ansicht über die Alemannia vom Samstag, „eine Wahnsinnsgiftigkeit“ zu zeigen, „die kämpferisch nicht zu überbieten war“. Sang- und klanglos war Blau- Weiß bei den zuletzt so enttäuschenden Bolzfußballern von Alemannia Aachen untergegangen und konnte mit dem happigen 0:3 noch zufrieden sein. Pech kam für die Blau-Weißen hinzu. In den ersten 15 Minuten zeigten die Aachener auf tiefmatschigen Platz nicht nur unbändige Kampfeslust, sondern auch spielerisch mehr als in der gesamten Vorrunde zusammen. Nach einer Viertelstunde hätte es auch 5:0 stehen können. Blau -Weiß-Torwart Mager reckte sich, soweit er konnte, und Verteidiger Holzer fegte einen Schuß akrobatisch von der Linie. Aachens Zweizentner-Unikum Delzepich knallte Richtung Berliner Tor, daß man Angst um Magers Gesundheit bekommen mußte.

Immerhin zwei Tore fielen dennoch: Einen Pfostenkracher von Aachens Sitek staubte Verteidiger Schacht in der siebten Minute zum 1:0 ab, und in der 14.Minute gestattete die Berliner Abwehr dem bislang unbekannten Ersatz-Alemannen Frank Weber in seinem zweiten Ligaspiel ein wirkliches Traumtor: In aller Ruhe konnte er einen Direktpaß auf seiner Brust tanzen lassen, den Ball brasilianisch über den staunenden Michael Schmidt lupfen und schließlich volley hoch oben ins Dreieck jagen. So etwas hatte das fußballentwöhnte Tivoli-Publikum (noch keine 3.000 waren gegen den Tabellenführer gekommen) seit Jahren nicht mehr gesehen. Blau-Weiß versuchte sich mit braven Spielereien, als sei man noch beim Hallenfußball: klein-klein, technisch fein, aber ohne jede Wirkung. Schon in der Halbzeitpause schrieben Berliner Journalisten ihre komplette Niederlagen -Analyse, für die „Schlafmützigkeit und Überheblichkeit“ die Gründe waren.

Ihr Team sollte sie nicht enttäuschen, mehr als zwei Tore hat Blau-Weiß noch in keinem Spiel geschafft. Restzweifel beseitigte Aachens Nobody Weber mit dem 3:0 gleich nach dem Wechsel. Einzig Jörg Gaedke, der beste Fußballer auf dem Platz, stemmte sich engagiert gegen die Niederlage. Sein Trikot war schon nach wenigen Minuten von Blau-Weiß in Braun -Braun umgefärbt, und er hatte nach der Pause auch die einzigen Tormöglichkeiten, wobei bei der ersten Berliner Chance überhaupt, in der 68.Minute, der Pfosten im Weg stand. Für mehr hatten sich die Berliner Schönspieler selbst im Weg gestanden.

Bernd Müllender