Das Deutsche Rote Kreuz ist arm dran

■ Auch im Haushaltsjahr 1989 hat das Deutsche Rote Kreuz Berlin eine Finanzierungslücke in Millionenhöhe / Überlegungen zur Einstellung des Krankentransports / 30 bis 40 Mitarbeiter wären davon betroffen / Heftige Kritik an DRK-Präsident und Landesgeschäftsführer

Der Landesverband des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) kommt offenbar auch im laufenden Haushaltsjahr aus den roten Zahlen raus. Wie berichtet, wies der Haushalt des DRK bereits im Vorjahr einen Fehlbetrag in Höhe von 16,9 Millionen Mark aus. Der vergangene Woche vom DRK -Landesvorstand genehmigte „außerordentliche Wirtschaftsplan“ für 1989, der der taz vorliegt, weist nun ebenfalls einen Fehlbetrag von 13,8 Millionen Mark aus.

Der DRK-Finanzausschuß hat jetzt einen „Maßnahmenkatalog zum Ausgleich der Unterdeckung“ vorgelegt. Demnach gehört dazu auch die Überlegung, „ob der Krankentransport ganz einzustellen ist“. Von einer Einstellung wären 30 bis 40 Mitarbeiter betroffen, so der DRK-Betriebsratsvorsitzende Lothar Siese. Durch Erhöhung der Sätze für Hauspflege und Häusliche Krankenpflege verspricht sich das DRK Mehreinnahmen in Höhe von rund zwei Millionen Mark. Diese Forderungen wurden von Vertretern der Krankenkassen als „völlig überzogen“ zurückgewiesen.

Mittlerweile wird innerhalb des Landesvorstandes der Kurs von DRK-Präsident Wolfgang Schmidt und Landesgeschäftsführer Reiner Klauß nicht mehr kritiklos hingenommen. Wie die taz aus zuverlässiger Quelle erfuhr, stimmten dem Wirtschaftsplan zwar neun Vorstandsmitglieder zu, drei Vertreter lehnten ihn jedoch ab und sieben enthielten sich der Stimme. Darin dokumentiere sich die zunehmende Verärgerung über die DRK-Führung, behaupten Insider. Es wird sogar gemutmaßt, daß bei einer geheimen Abstimmung der vom Finanzausschuß und Präsidium, dem auch die derzeit noch amtierende Parlamentsvizepräsidentin Gabriele Wiechatzek angehört, vorgeschlagene Wirtschaftsplan vom Landesvorstand nicht genehmigt worden wäre.

Der zunehmenden Kritik an seiner Person entzieht sich Landesgeschäftsführer Klauß mittlerweile durch Abwesenheit. Weder nahm er vergangene Woche an der Sitzung des Landesvorstands teil noch an einer Sitzung der Kreisgeschäftsführer. Diese hatten sich zuvor in einem Schreiben an DRK-Präsident Schmidt über die „Arroganz und Überheblichkeit“ des Landesgeschäftsführers beschwert.

In einem Brief an alle DRK-Mitarbeiter hat Schmidt alle „Gerüchte“ von Mitarbeiterentlassungen energisch dementiert. Der DRK-Betriebsrat war nach „Hochrechnungen“, so der Vorsitzende Lothar Siese, auf einen „Abbau von mindestens 600 Stellen“ gekommen. „Massenentlassungen sind dazu nicht nötig“, meinte Siese. „Zahlreiche Stellen sind zeitlich befristet oder werden automatisch aufgehoben, wenn, wie in der Hauspflege, die Mitarbeiter keine Aufträge mehr bekommen.“

Hermann Müller