Drucker drücken aufs Anzeigengeschäft

■ In Berlin streiken zur Zeit etwa 500 ArbeiterInnen in acht Druckerei-Betrieben / 'Volksblatt'-Redakteure üben Solidarität

Diese Zeitung, werte Leserinnen und Leser, können Sie heute deshalb in den Händen halten, weil der Betrieb, in dem sie gedruckt wird, Streikbrecher einsetzt. Unsere Gazette wird bei der Druckerei des 'Berliner Volksblattes‘ hergestellt; und da tobt seit Tagen der Arbeitskampf. Von den acht Druckern des Betriebes sind zwei unorganisiert - und die sorgen momentan mit einem Hilfsarbeiter dafür, daß die Rotation rotiert.

An den Warnstreiks in den Berliner Druckereien haben sich gestern rund 500 Beschäftigte in acht Betrieben beteiligt. Sowohl das 'Volksblatt‘ als auch der 'Tagesspiegel‘ erschienen in Notausgaben - von 26 für Dienstag geplante Seiten blieben beim 'Tagesspiegel‘ beispielsweise nur 16 Seiten übrig. Am Sonntag war gar eine 64seitige Ausgabe geplant - erscheinen konnten nur 42. Die Blätter werden wohl auch in den nächsten Tagen nur mit vermindertem Umfang erscheinen können. Gestern nacht entschied auch die Belegschaft des Springer Verlages, ob sie sich den Arbeitskampfmaßnahmen anschließen wollen. Das Ergebnis stand bei Redaktionsschluß noch nicht fest.

Wegen der modernen technischen Einrichtungen der Verlage und Redaktionen ist das grundsätzliche Erscheinen der Berliner Tageszeitungen kaum in Frage gestellt. „Da müßte man sich schon auf die Rotationsmaschine setzen, und soweit sind die Kollegen hier noch nicht!“ meint ein Betriebsrat der 'Tagesspiegel'-Druckerei „Mercator“. Der Druck auf die Unternehmer rührt im Druckerstreik von woanders her: Viele Anzeigen können im Moment nicht gesetzt und gestaltet werden, weil sich die technischen Abteilungen im Ausstand befinden. Zwar wird die Produktion der geldbringenden Insertionen von der Verlagsleitung oft an kleinere Fremdunternehmen vergeben, die nicht am Arbeitskampf teilnehmen, - deren technischen Möglichkeiten sind aber begrenzt. Der 'Tagesspiegel‘ mußte jetzt gar auf vier gewinnträchtige Beilagen verzichten: Die jeweils zwischen acht und zwölf Seiten starken Beilagen „Büro“, „Tourismusbörse“ und „Wohnen“ fielen wegen des Streiks aus. Ein Gewerkschafter: „Das kostet die schon ein paar Mark!“

Etwa die Hälfte der 'Volksblatt'-Redakteure haben sich am Montag aus Solidarität dem Druckerstreik angeschlossen. Gestern nachmittag hielten sie eine Redakteursversammlung ab. Zu weiteren Arbeitsniederlegungen entschloß sich die Schreiberzunft zwar nicht - als Maßgabe wurde aber verabschiedet, sich trotz der fehlenden KollegInnen in der Technik nicht abzuhetzen. Weil die streiken, werden 'Volksblatt‘ und 'Tagesspiegel‘ zur Zeit von der Geschäftsleitung oder den Abteilungsleitern montiert. Auch der eher gemäßigte Deutsche Journalistenverband hat gestern seine Mitglieder zu Sympathiestreiks aufgerufen - die 'Tagesspiegel'-Redakteure arbeiteten trotzdem weiter.

Obwohl die KollegInnen von Mercator-Druck am Arbeitsplatz streiken, sich also im Betrieb aufhalten, ist es zu direkten Konfrontationen mit Streikbrechern, wie sie 1984 oft von Arbeitgeberseite provoziert wurden, bisher nicht gekommen. Das liegt daran, daß viele Produktionsschritte ausgelagert worden sind: Die gesamte Texterfassung des 'Tagesspiegel‘ läuft zur Zeit in einem Fremdbetrieb, dem „Berliner Zeitungssatz“.

ccm