Das Wetter von morgen

■ Uli Becker liest heute abend in der Galerie Beim Steinernen Kreuz

Er wird in einem Atemzug mit Rolf-Dieter Brinkmann und Wolf Wondratschek genannt. Wie sie hat der Berliner Lyriker Uli Becker von den Amerikanern seiner Generation viel gelernt, und ohne das Medium Film wären die Verse der drei Dich nicht denkbar. Seit elf Jahren und in acht Lyrikbänden kalauert Becker nun schon leichtfüßig daher, nimmt alles und jenes aufs Korn, vor allem unliebsame Zeitgenossen und ebenso unliebsame Zeitgeisterscheinungen:

Ich blicke von der Maschine auf/ und komme mir vor wie in einem dieser psychologischen Spiele / in Lesezirkelillustrierten / (TEST: Sind Sie eine Karteileiche?), / bei denen man sich zu einem Foto selber eine Geschichte ausdenken muß.

Wie kaum ein anderer hat er den BÖSEN BLICK, der den Schutzmantel von Verharmlosung und Verdrängung zerreißt, der das Kleingedruckte scheinbar harmlos Revue passieren läßt, um es dann in einem gekonnten Sprachspiel bloßzustellen. Vor allem der Kunst- und Literaturbetrieb hat es ihm angetan:

Gott ja, die Postmoderne, sagt der Minirock / zum Existentialistenrolli, / anything goes und alles kommt wieder, für 15 Minuten.

In seinem neuen Gedichtband, „Das Wetter von Morgen“ (Haffmanns, 28 Mark), aus dem er heute abend (Beim Steinernen Kreuz 1, 20 Uhr) liest, schaut er wieder einmal den Leuten direkt aufs Maul und porträtiert Zeitgenossen, die ihm zuwider sind:

Zur Straße die vorgedruckte Friedestaube, / nach hinten raus, wo's auf den Park geht, / kleben Raubvogelsilhouetten am Wintergarten.

Wenn da eine von den Schwalben reinkracht, / hat niemand was von, / und Falken sind eben die einzige Sprache, / die die verstehen.

Seine Verse sind nie billig, auch wenn sie oft beiläufig daherkommen und wie Zeitungsnotizen, zu Versen gebrochen, anmuten: Becker lauscht den Politikerparolen über die „Finale Krise“, dem Partygeplauder über „Bonsai-Bäumchen und die kleinen Schweinerein, die man essen kann“, den Stammtischbrüdern, „die im Katerhirn allerlei gute Nachsätze für das Verflossene“ haben, und „beim Tatort 'ne Flasche zuviel trinken und dann im Übermut die Alte beglücken“: Slapsticks, die sich nicht nach zweimaligem Lesen erschöpfen, die dem Zeitgeist ein Schnippchen schlagen.

gin