Gewaltspirale durchbrechen“

Mompers Brief an Rita Süssmuth und Jürgen Schmude  ■ D O K U M E N T A T I O N

Der seit nunmehr acht Wochen andauernde Hungerstreik der Strafgefangenen aus der terroristischen Szene gibt zunehmend Anlaß zu größter Besorgnis. Es ist abzusehen, daß einzelne Häftlinge durch ihre Aktion bald in einen kritischen Zustand geraten. Die Thematisierung der Haftbedingungen dieser Strafgefangenen durch den Hungerstreik erneuert fortlaufend die schon verlorengegangene ideologische Basis für die Sympathisanten dieser Szene. Der Hungerstreik könnte im Falle einer Zuspitzung „Märtyrer“ schaffen und den Teufelskreis terroristischer Gewalt in unserem Land erneut aufleben lassen. Alle Bundesländer sind von dieser Gefahr für den inneren Frieden gleichermaßen betroffen.

Ich bin der Auffassung, daß Gesellschaft und Staat jetzt durch eine besonnene Reaktion im Geist der Liberalität endlich die Spirale der Gewalt, die unsere innenpolitische Diskussion seit den frühen siebziger Jahren beeinflußt hat, durchbrechen kann und muß. Die Haftbedingungen der hier genannten Strafgefangenen sollten so normalisiert werden, daß sie einerseits den berechtigten Sicherheitsbedürfnissen Rechnung tragen, andererseits aber den Gefangenen die Möglichkeit zur Einsicht und Umkehr bieten. Dem Sympathisantenumfeld müssen die Vorwände für Aktionen genommen werden.

Auf Grund der politischen Brisanz des Konflikts kann die Lösung dieser Frage jedoch allzu leicht in den Sog des Parteienstreits geraten und ein Ausweg dadurch blockiert werden. Es sind fast alle Bundesländer betroffen. Die Lösung dieser Frage übersteigt die Kraft und die Möglichkeiten einer einzelnen Landesregierung.

Auch in meiner Eigenschaft als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz bitte ich Sie, als Vermittler zwischen den Bundesländern einerseits und den Strafgefangenen aus der terroristischen Szene andererseits tätig zu werden und Möglichkeiten für eine befriedigende Regelung mit beiden Seiten zu erörtern. Ich denke, daß Sie durch Ihr persönliches Ansehen und die Kraft Ihres Amtes diese dringliche staatspolitische Aufgabe in Zusammenarbeit mit der von mir ebenfalls angeschriebenen Präsidentin des Deutschen Bundestages, Frau Prof.Dr.Rita Süssmuth mit Erfolg wahrnehmen können. Ich biete Ihnen meine aktive persönliche Unterstützung dabei an.

29.März '89