Die Angst vor der Vergangenheit

■ Uruguayer bestätigen Amnestie für Verbrechen der Militärdiktatur

Die Koalition aus Militärs und Regierung hat mit einer aufwendigen Medienkampagne gewonnen: Die Verbrechen aus zwölf Jahren Diktatur bleiben ungesühnt. Aber lügen sich die anderen nicht in die eigene Tasche, die für ihre Abstimmungsniederlage nur größere Finanzkraft, das Fernsehen und angsteinflößende Politiker verantwortlich machen?

Die rund 70.000 Sicherheitskräfte sind seit vier Jahren aus dem Stadtbild gänzlich verschwunden. Doch in zwölf Jahren Diktatur haben die Militärs ganze Arbeit geleistet - nicht mit Massenerschießungen wie in Chile oder mit dem Verschwindenlassen von 30.000 Menschen wie in Argentinien. Das kleine Land war ein Versuchslabor für ausgefeilte Repressionsmethoden. Seine drei Millionen Einwohner wurden gemäß ihres Gefährlichkeitsgrades in die Kategorien A, B und C eingeteilt, und das „Zertifikat über den demokratischen Glauben“ der Diktatur entschied über Job, Ausreiseerlaubnis und Überwachung. Fußballklubs wurden aufgelöst, und sogar Geburtstagsfeiern mußten im Polizeirevier angemeldet werden. Und wer einem Opfer der Repression half, lief Gefahr, wegen „Unterstützung einer kriminellen Vereinigung“ verfolgt zu werden. 50.000 Bürger lernten die Gefängnisse von innen kennen, die Folter wurde mit wissenschaftlichen Methoden betrieben. Und mit der Folter wurde nicht nur das Opfer erniedrigt und bestraft, sondern auch die Familie und die soziale Umgebung. Sie schreckte ab und lähmte das ganze Volk. Die Parole hieß: Kopf einziehen und warten, bis der Spuk vorbei ist.

Während in Chile die Flamme des Widerstandes nie erlosch, hatte es in den zwölf Jahren Diktatur in Uruguay keinen organisierten Widerstand, keine einzige militante oder bewaffnete Aktion gegeben. Zwar erlangten die Militärs nie eine soziale Basis - bei ihrem Plebiszit 1980 erhielten sie für ihre geplante Verfassungsänderung nur 43 Prozent -, doch dann kam der demokratische Übergang, und am Horizont erschien die Vaterfigur Sanguinetti und versprach ein neues Zeitalter. Es war bequem, den Worten des Landesvaters zu folgen und den Blick optimistisch in die Zukunft zu richten, statt in der Vergangenheit herumzustochern. Warum die vergangenen Menschenrechtsverletzungen untersuchen? Wie sich jetzt herausgestellt hat, möchte die Mehrheit des Volkes die Augen vor der Vergangenheit verschließen. Würde sie vielleicht Gefahr laufen, daß man ihr die Greueltaten vor Augen führt, die sie die ganzen Jahre über erfolgreich verdrängt hatte?

Gaby Weber