Puritanische Amateure gegen Ausländerhaß

■ Der FC Internationale: ein Fußballclub, der weit über den Spielfeldrand hinausschaut / Der Kampf gegen Atomraketen und für „Sandino-Dröhnung“ ist ebenso wichtig wie der Aufstieg / Der Titel der „revolutionären Arbeiterhymne“ im Vereinsnamen erschreckte den Berliner Fußballverband

Beschimpfungen und Provokationen wie „Rote Penner“ oder „Scheiß-Ausländer“ gehören fast schon zum „normalen“ Spielgeschehen, wenn der FC Internationale sonntags in der Berliner A-KLasse um Punkte kämpft. Dabei stehen in der ersten Mannschaft - sehr zum Leidwesen der Akteure und Vereinsverantwortlichen - im Gegensatz zur Gründungsphase kaum noch ausländische Kicker.

„Das spielt für viele fanatische Fußballjünger auf und am Rande des Rasens keine Rolle. Die Ausländerfeindlichkeit richtet sich bei diesen Leuten generell gegen uns“, schildert Günther Maschke, der Vorsitzende des FC Internationale, die wachsenden Ressentiments gegen alles Nicht-Deutsche auch auf den Sportplätzen.

Seit 1980 sorgt der dem Klischee des klassischen Fußballvereins völlig konträre Club im regulären Spielbetrieb des Berliner Fußball-Verbandes (BFV) für Furore: Weniger wegen seiner sportlichen Erfolge als vielmehr wegen seiner Sozial- und sportpolitischen Aktivitäten. Bislang ebenso häufig wie vergeblich haben die in ihrem Traditionsbewußtsein empfindlich gestörten Verbandsfunktionäre versucht, den widerspenstigen, aufmüpfigen Außenseiter zu zähmen. Der FCI hält unverändert an seinen Zielen und Idealen fest.

„Drei Punkte waren und sind für uns besonders wichtig“, faßt Maschke den Grundkonsens des FCInternationale zusammen: „Wir halten den Amateurstatus hundertprozentig ein; die Integration ausländischer Spieler steht im Vordergrund, und drittens thematisieren wir das Verhältnis von Sport und Politik durch konkretes Engagement.“

Im Vereinsalltag sieht das wie folgt aus: Weder die Aktiven noch Trainer Hermann Behrens, immerhin im Besitz der A -Lizenz, erhalten Prämien, Spesen oder sonstige finanzielle Zuwendungen. Selbst die „Töppen“ muß jeder selbst bezahlen. Und bei den bisher zwei Meisterschafts- und Aufstiegsfeiern spendierte der Vorstand nicht mal ein Bier mit 'ner Bulette. Puritanischere Amateure gibt es wohl in ganz Fußball -Deutschland nicht. Schon selbstverständlich, daß die Kicker abwechselnd die Trikots zum Waschen mit nach Hause nehmen.

Natürlich verzichtet der FCI auch auf die im Amateurbereich inzwischen übliche kommerzielle Leibchenwerbung. „Wir treten 'oben ohne‘ auf“, lehnt der 36jährige Diplom-Politologe wandelnde Litfaß-Säulen auf dem Sportplatz prinzipentreu ab. Mit einer Einschränkung: Wenn es um - selbstverständlich unbezahlte - Reklame mit gesellschaftspolitischem Hintergrund geht, riskieren die FCI-Akteure schon mal eine Geldbuße durch das BFV-Schiedsgericht wegen Verstoßes gegen das parteipolitische Neutralitätsgebot. „Zum Beispiel sind wir mit Aufklebern der Kinderhilfsorganisation 'Terre des hommes‘ für 'Sportler gegen Kindertränen‘ angetreten“, assistiert Werner Kawald, Libero der Senioren -Oberligamannschaft, seinem Kollegen. Auch für den Nicaragua -Kaffee „Sandino Dröhnung“ oder gegen die Schließung des Berliner AEG-Werkes habe man schon Werbung gemacht, ergänzt Maschke.

Im Zusammenspielen deutscher und ausländischer Fußballer liegt die Wurzel des FCInternationale. Unter dem Namen „Internationale Studenten“ holten Fußballbegeisterte aus zehn Nationen mehrere Berliner Hochschul-Meisterschaften in der TU-Liga, einer eigenständigen, heute vier Klassen mit über 80 Teams umfassenden Hobby-Liga der Technischen Universität. Aus sportlichen Gründen und angesichts der wachsenden Ausländerfeindlichkeit beschloß die Studententruppe 1979, sich dem offiziellen Berliner Fußball -Verband (damals VBB) anzuschließen. Ohne den „normalen“ Umweg über die Freizeit-Liga nahm der VBB den dank Statuten und Satzung „ordentlichen“ Verein auf. „Wir dachten, innerhalb des Verbandes besser gegen Ausländerhaß angehen zu können“, begründet Kawald den damaligen Schritt. „Außerdem wollten wir zeigen, daß auch ohne Geld sportlicher Erfolg möglich ist.“

Aber ohne Schwierigkeiten liefen diese Vorhaben im bürgerlich-biederen Berliner Dachverband - natürlich - nicht ab. „Den ersten Streit gab's um den Namen. Die Funktionäre fürchteten eine kommunistische Unterwanderung und unterstellten uns einen bewußten Bezug zur 'Internationale‘, der revolutionären Arbeiter-Hymne“, erinnert sich Maschke süffisant grinsend. „Dabei dachten wie an den Mailänder Traditionsclub und unseren im alten Namen bereits bekundeten Anspruch, überwiegend Ausländer zu integrieren.“

Auch mit seinen gesellschafts- und sportpolitischen Aktivitäten sorgte und sorgt der sich selbst als links -alternativ einstufende Außenseiter, dessen Platz - aber das ist purer Zufall - an der Monumentenstraße im Stadtteil Schöneberg mitten in der traditionsreichen „roten Insel“, einem der Zentren der Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik, liegt, für Furore und Ärger. Am stärksten beunruhigt die Verbands- und DFB-Gewaltigen laut Maschke „unser Friedensturnier, das wir trotz aller offiziellen Quertreiberei seit 1981 regelmäßig organisieren“. Beim Turnierauftakt drohte der VBB den Veranstaltern und anderen interessierten Vereinen mit dem Verbandsausschluß. Vergeblich. Inzwischen beteiligen sich konstant acht Berliner Ausländer-Clubs und ausländische Vereine. „Übrigens haben uns Rudi Völler, Karl Allgöwer, Ewald Lienen und andere Profis Grußadressen geschickt“, verweist Kawald auf Unterstützung durch namhafte Bundesligaspieler.

Der FCI ist auch Mitglied der Initiative „Sportler für den Frieden - gegen Atomraketen“, fehlt bei keiner Demo gegen Ausländerhetze und engagierte sich auch in der Hausbesetzer -Bewegung und beim Volkszählungsboykott. „Nach dem bedrückenden Erfolg der Republikaner bei den Berliner Wahlen haben wir sofort vor dem Schöneberger Rathaus mitprotestiert“, erinnert Maschke an die jüngste Aktion. Außerdem verteilen sie vor und nach ihren Punktspielen Flugblätter, in denen sie Fußballer und Fans auffordern, unter dem Motto „Gemeinsam Sport treiben - Gegen Fremdenhaß und Rassismus“ sich gegen „ausländerfeindliche und neonazistische Tendenzen zu stellen“.

Mit Erfolg: Beim Gastspiel der dritten Mannschaft des FCI beim SCSiemensstadt, in dessen Reihen viele - als besonders „Republikaner„-freundlich geltende - Polizisten stehen, „kamen einige gegnerische Akteure noch vor dem Anpfiff auf uns zu und versicherten, sie hätten die Republikaner nicht gewählt“, freut sich Kawald darüber, daß sich durch Kicken nicht nur der Ball, sondern auch im Kopf etwas bewegen läßt.

Elmar Dreher