Regierungsverklärung

■ Helmut Kohl erklärte sich vor dem Bundestag

Langatmig war die Rede des Bundeskanzlers, pathetisch, breit, hohl und mager. Sie bot nichts Neues, leierte Altbekanntes lieblos herunter. Und dennoch: Einen Eindruck hat Helmut Kohl mit seiner Regierungserklärung mit Sicherheit hinterlassen, nämlich den eines Regierungschefs, der mit seiner Mannschaft nicht mehr in die Offensive kommt. Und den deutlichen Eindruck eines Politikers, der sein Image als zuverlässiger, berechenbarer Staatsmann verloren hat.

Die Regierung Kohl führt Meinungen nicht länger an. Sie vermag es nicht mehr, Themen zu besetzen. Bestes Beispiel: Ihr Umgang mit dem Umweltschutz: „Die Schöpfung bewahren die Zukunft gewinnen“, rief Kohl gestern als Leitgedanken dieser Legislaturperiode aus. Konsequenter Umweltschutz gehöre zu einer wertorientierten Politik, beschwor er. Die geplanten Maßnahmen zur Umsetzung dieser hehren Ansprüche allerdings sprechen den vollmundigen Ankündigungen Hohn. Die Aufnahme des Umweltschutzes in die Verfassung und die Neuregelung der Umwelthaftung werden die fortschreitende Zerstörung der Lebensgrundlagen nicht verhindern. Die versprochene Änderung des Naturschutzgesetzes hat der Kanzler selbst boykottiert. Und mit der angekündigten steuerlichen Förderung des geregelten Drei-Wege-Katalysators für Kleinwagen hinkt die Regierung sogar der Industrie hinterher.

Mit dieser Erklärung zeigt sich die Regierung selbst zu einer gemäßigten Umweltschutzpolitik weder willens noch imstande. Dies bedeutet den offenen Verzicht auf die Besetzung eines eigentlich klassisch konservativen Themas. Und das wird den Graben innerhalb von Union und Regierung weiter vertiefen: zwischen Kohl, der forschere Maßnahmen ängstlich scheut, und jenen Hardlinern hinter ihm, die sie absolut nicht wollen, auf der einen Seite und Geißler, Süssmuth, Lehr, Biedenkopf auf der anderen. Letztere geben Union und Regierung verloren, wenn sie sich nicht an ein christlich-soziales Menschenbild anlehnen und den Eindruck vermitteln können, sie wollten die „Schöpfung“ radikal bewahren und den Schwachen in dieser Gesellschaft helfen.

Seinen Imageverlust verdankt Kohl, der Wählern, Partei und Fraktion einst als einer galt, der sein Wort hält, durch unschlüssige, nicht berechenbare Politik. Er nimmt heute zurück, was er gestern erst beschlossen hat: Wehrdienstverlängerung, Quellensteuer, Naturschutzgesetz, Wackersdorf, MBB.

Kabinett, Fraktion und Teile der Partei mögen sich mit Kabinettsumbildung und der Rücknahme von einigen unpopulären Entscheidungen für eine Weile wenigstens ruhigstellen lassen. Darüber hinaus wird Kohls Politik des dynamischen Stillstands nicht greifen.

Ferdos Forudastan