„und morgen war Krieg“

■ Ein sowjetischer Film über die Hoffnung auf die sozialistische Gemeinschaft, die unter dem Betondeckel der Stalinzeit in einer Schulklasse blühte, trotz alledem

Es ist schwer mit diesem unserem Sozialismus. Seine Idee ist so klar und wahr, so schön und überzeugend menschlich, seine Praxis ist gleichzeitig so rigide, diszipliniert, prüde und menschenfeindlich. Mit diesem Widerspruch beschäftigt sich der Film „und morgen war Krieg“ des 34 Jahre jungen sowjetischen Regisseurs Juri Kara, die Geschichte ist der gleichnamigen Erzählung von Boris Wassiljew entnommen. In der bisher tabuisierten Zeit, als der Widerspruch zwischen Wärme-und Kältestrom des Sozialismus administrativ einseitig zu Gunsten der Kälte entschieden war, in der finsteren Stalinzeit zeigt Kara am Beispiel einer Schulklasse mit viel Pathos das Überwintern der Hoffnung auf eine menschenwürdige Gesellschaft-Gemeinschaft. Unter den Jugendlichen hat der Traum von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit noch eine Heimstatt. Hier hat es der sozialistische Terror noch nicht vermocht, das Gefühl

von Würde aus den Menschenkörpern zu treiben und durch die Angst, Angst vor Repressalien, Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes zu ersetzen.

Tränenrühriges Pathos entsteht, wenn die/der paradigmatische Einzelne in ihrem Kampf, auch dem inneren, gegen übermächtige äußere Kräfte gezeigt wird,

wenn sie, wie Karas Protagonistin Iskra sich als in erster Linie verläßliche und solidarische Freundin erweist.

Ein Pathos, das eines amerikanischen Filmes würdig wäre und dann meine Häme löffelweise verdiente, aber so ist das etwas anderes: der sowjetische Film verfügt über einen doppelten Bonus, den relativer Unbelastetheit von den Scheußlichkeiten des westlichen Kinos und den weiteren, sich nun auf inhaltlich neues und gefährliches Terrain vorzuwagen.

„Und morgen war Krieg“ schildert in ruhigen Schwarz-Weiß -Bildern die graue Realität des Alltags sowjetischer Jugendlicher zwischen Schule und Komsomol, zwischen der gewinnenden Poesie als dekadent denunzierter Dichter und erster Liebe, zwischen sperriger Intelligenz und ihrer widerstandslosen Umkrempelung im Produktionsprozeß, schildert den Alltag derer, die vom neuen System immerhin eine gewisse Chancengleichheit beschert bekamen und konfrontiert ihn auf buntem Filmmaterial mit dem Lebensstil und der Nachdenklichkeit eines Gebildeten, mit der Farbe, die eine gewonnene Denk-und Fühlfähigkeit dem Leben zu verleihen vermag. In der neuerlernten Solidarität gegenüber den Instanzen der stalinistischen Erziehung ließe sich möglicherweise der Wärmestrom des Sozialismus erhalten.

Aber morgen war Krieg ...

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Cinema, Fr./Sa./So. 18.45 Uhr