Labours Godesberg

■ Der britischen Linken sollte die späte Sozialdemokratisierung der Labour Party recht sein

Genau zehn Jahre nach Margaret Thatchers Amtsübernahme ist in Erfüllung gegangen, was sie sich vorgenommen hatte: „to kill socialism“. Der Sozialismus ist zumindest parteipolitisch mausetot. Seit Anfang der Woche lebt dagegen die Sozialdemokratie: in Gestalt der neuen Labour Party. Nun ist auch sie mit Hilfe ihrer programmatischen Runderneuerung in jener Bonner Vorstadt angekommen, die für den Revisionismus steht: in Bad Godesberg.

Labours Weg dorthin war lang und beschwerlich. In den 60er und 70er Jahren hatte die Partei weder Selbstbesinnung noch programmatische Reformen nötig. Zu oft war sie an der Macht, zu selbstverständlich verlief der regelmäßige Regierungstausch mit den Konservativen. In den 80er Jahren dagegen waren es die innerparteilichen Flügelkämpfe nach dem Thatcher-Schock und der Auflösung des Sozialstaatskonsens, die Labours ideologische Neubesinnung verzögerten. Während sich die winzige Kommunistische Partei und Anhänger der abtrünnigen Sozialliberalen Allianz zumindest Gedanken machten über den hegemonialen Sieg der Thatcher-Tories, weigerte sich ein großer Teil der Arbeiterpartei stur, von den überholten Prinzipien eines undemokratischen industriellen Korporatismus und unflexiblen Staatssozialismus Abschied zu nehmen. Erst in den letzten Jahren hat die „weiche Linke“ Labours erkannt, daß ohne eine gründliche Demokratisierung des britischen Staatsapparats mit dem Sozialismus kein Staat mehr zu machen ist, daß eine solche Sozialdemokratisierung des traditionellen Institutionensystems nicht Ende, sondern Vorbedingung künftiger linker Politik ist. In der „harten Labour-Linken“ ist solch strategisches Denken dagegen immer noch verpönt. Und dies, obwohl gegenwärtig alles darauf hinweist, daß sich die Briten nach der Thatcher-Revolution nach einer Partei der sozialdemokratischen Mitte sehnen.

Wenn Labour diese Partei sein kann, dann sollte dies jedem Linken recht sein. Ein Eintreten der Labour Party für das kontinentale Verhältniswahlrecht mit der Möglichkeit von Koalitionsregierungen als Ersatz für das undemokratische Mehrheitswahlrecht ließe in den 90er Jahren - wenn die Sozialdemokratie dem Thatcherismus den Garaus gemacht hat noch Platz für eine kleine, aber einflußreiche sozialistische Partei. Doch dazu müßte die Labour-Linke erst einmal ihre Abneigung gegen eine Wahlrechtsreform aufgeben; eine Abneigung, die sie ausgerechnet mit der Labour-Führung teilt.

Rolf Paasch