„MARIA“ diktiert die Bedingungen

Argentiniens neuer Präsident Memen wird Militär und Geheimdienst stärken / Die acht wichtigsten Unternehmensgruppen bilden ein Politkartell und übernehmen die Macht im Staate / Eine alte Frau blockiert die Wahlkabine: „Was soll ich nur wählen?“  ■  Aus Buenos Aires Gaby Weber

Noch in der Nacht feierten im ganzen Land Tausende den Sieg der Peronisten mit Hupkonzerten, Demonstrationen und Festen.

Bis kurz vor der Wahl waren laut Umfragen immer noch 20 Prozent unentschieden, wem sie ihre Stimme geben sollten. Viele entschieden sich wohl wegen der Wahlpflicht in letzter Minute für die Peronisten. In Tucuman war eine Wahlkabine 55 Minuten blockiert, und als der örtliche Wahlleiter die Tür öffnete, um nach dem Rechten zu schauen, sah er eine alte Frau, die weinend immer wieder rief: „Wen soll ich bloß wählen?“

Mit Carlos Save Menem wurde ein Präsident gekürt, der vom rechten Flügel seiner Partei kommt. Die Gewerkschaftsforderung nach einem Moratorium hat er in die Bitte nach einer „fünfjährigen Gnadenfrist“ umgewandelt. Er plädiert für einen höheren Wehretat und eine Verstärkung der militärischen Geheimdienste, ist gegen Scheidung, Abtreibung und Sexualerziehung, weil diese „die Position in der Familie in Frage stellt“.

Erst am 10.Dezember wird Alfonsin die Regierungsgeschäfte in die Hände von Menem legen. Bislang zeigen die Peronisten an einer vorgezogenen Amtsübergabe wenig Interesse. Die peronistisch dominierten Gewerkschaften haben bis Juni mit dem Unternehmerverband eine Art Waffenstillstand abgeschlossen, um die derzeitige Wirtschaftskrise nicht weiter anzuheizen, wie es heißt.

Die Peronisten werden an der bisherigen Wirtschaftspolitik wenig ändern. Sie hatten die Freigabe des Wechselkurses, die in den letzten Wochen ein bislang unbekanntes Wirtschaftschaos mit einer monatlichen Inflation von über 50 Prozent ausgelöst hat, ausdrücklich begrüßt. Auch sie kommen an einer gewichtigen Unternehmergruppe, „MARIA“ genannt, nicht mehr vorbei. In ihr haben sich die acht wichtigsten Unternehmensgruppen des Landes zusammengeschlossen.

Die Gruppe MARIA, die zunächst nur als eine mächtige Pressure-Group erschien, hat inzwischen ganz unverblümt die Macht im Staate übernommen. Bereits der letzte Wirtschaftsminister Juan Carlos Pugliese traf seine Entscheidungen nicht mehr im eigenen Büro, sondern nahm Instruktionen in den Privatresidenzen der Industriekapitäne entgegen. In der vergangenen Woche hatte MARIA verkündet, daß sie sich auch an dem wahrscheinlichen Wahlsieg Menems nicht stören würde.

Drei Tage vor der Wahl diktierte MARIA den Peronisten öffentlich die Bedingungen. „Eine völlig offene Wirtschaft, die sich auf die Entwicklung der nicht-staatlichen Unternehmen stützt, deren zentrale Achse der Export -fördernde hohe Dollarkurs sei sowie eine geschickte Verhandlungsführung mit den ausländischen Gläubigern, die die Kapitalisierung der Auslandsschuld und die Privatisierung als zentrale Lösung ansieht“, zitierte die Tageszeitung 'Pagina 12‘ einen MARIA-Sprecher.

Auch einen neuen Wirtschaftsminister präsentierte MARIA bereits vor der Wahl, ohne daß die Peronisten dagegen protestierten: Domingo Cavallo, den unter der Militärdiktatur Zentralbankchef. Cavallo müsse nicht unbedingt im ersten Menem-Kabinett (der erste Wirtschaftsminister ist angesichts der herrschenden Krise Kanonenfutter“ - so der MARIA-Sprecher) auftauchen. Aber bei der ersten Regierungsumbildung, wenn es um langfristige Entscheidungen gehe, sei er an der Reihe.

Die Peronisten haben für die Industriekapitäne und ihre Pläne zur Umgestaltung der argentinischen Gesellschaft einen großen Vorteil: „Menem ist sehr geschickt bei der Lösung parteiinterner Konflikte“, so lobte der MARIA-Sprecher die peronistischen Integrationsfähigkeiten. Damit stehen Menem schon bald Konflikte ins Haus. Denn mit einer Fortführung der Wirtschaftspolitik verprellen die Peronisten ihr klassisches Wählerpotential, die Arbeiter und die Armen, die durch die Freigabe des Dollars und die Inflation in den Hunger gedrängt wurden.

Den Peronisten wird die Aufgabe zugewiesen, zu demobilisieren und die kommenden sozialen Konflikte unter Kontrolle zu bekommen. „Die Gewerkschaften verhalten sich maßvoll und vorsichtig“, lobte MARIA die CGT, die in diesem Jahr auf alle Aktivitäten am 1.Mai verzichtet hatte. Das Unternehmenskartell bringt das deutsche Modell der Mitbestimmung auf die Tagesordnung: „möglicherweise wollen sie dafür im Gegenzug großere Präsenz in den staatlichen Betrieben“.

Buenos Aires (afp) - Menem war bisher Gouverneur der Provinz La Rioja. Sein Prestige verdankt er seinem Talent zu starken und inhaltlich verschwommenen Reden. Menems Ruf als Macho gründet sich auf viele angebliche „Frauenaffären“ und auf seine zeitweilige Betätigung als Rennfahrer. Von Nutzen war ihm auch persönliche Nähe zum verstorbenen Diktator Peron. Fünf Jahre verbrachte er zur Zeit der Militärdiktatur im Gefängnis.

Kurz vor der Ankündigung seiner Kandidatur beseitigte er auch das letzte Hindernis: Der Sohn syrischer Einwanderer, der im Volksmund auch „el Turco“ genannt wird, trat vom Islam zum Katholizismus über.%%