Hoher Preis für Verzicht auf Donaukraftwerk Nagymaros

Budapest (taz) - Breiten Raum nahm auch gestern in der Budapester Presse der Baustopp des Donaukraftwerks Nagymaros ein. In den Zeitungsspalten der ungarischen Parteiblätter klang Enttäuschung über die Reaktionen Wiens an. Zwar verzichtete das ZK-Organ 'Nepszabadsag‘ wie die drei anderen bedeutendsten Tageszeitungen des Landes, auf Kommentare; aber nirgends fehlt die Stellungnahme des österreichischen Kanzlers Vranitzky. Dieser habe zwar, so die Blätter, Ungarn Souveränität zugesprochen, aber auch erklärt, sein Land sei nicht reich genug, um „einfach Millionen Schillinge abzuschreiben, die in das Projekt investiert wurden“. Unverständnis erntet auch Österreichs Wirtschaftsminister, der neben seiner Klarstellung, die österreichischen Firmen forderten 800 Millionen bis eine Milliarde Schillinge Schadenersatz, sich auch den Satz nicht verkneifen konnte: „Sollte Ungarn seinen Stromlieferungen nicht nachkommen, wird die Sache wesentlich ernster.“

Bekanntlich finanzierte Österreich nicht nur den Bau von Nagymaros wesentlich mit, sondern in einem Zusatzvertrag verpflichtete sich Ungarn, 23 Jahre lang seinem Nachbarn dafür unentgeltlich Strom zu liefern. Jetzt ist fraglich, ob andere Kraftwerke genug überschüssige Energie produzieren könnten, um noch Export-Strom abzuzweigen. Dies werde nur mit dem Ausbau der Atomenergie möglich sein, verlaute aus Kreisen des Wirtschaftsblattes 'HGV‘, hinter dem Reformkommunisten stehen.

Bisher interessierte sich der bekannte „Donaukreis“, die erste Umweltbewegung Osteuropas überhaupt und maßgeblicher Initiator der Nagymaros-Protestbewegung, wenig um die Gefahren der Atomkraft. Auch andere unabhängige Gruppen und die neu gegründeten Parteien gaben bisher noch keine Stellungnahme zur Atomenergie ab. Möglicherweise wird sich dies ändern, wenn die Regierung in den nächsten Tagen ihr neues Energiekonzept präsentiert. Am 30.Mai sollen dem Parlament Alternativen zum Donaukraftwerk vorgelegt werden. Da Umweltschützer noch nicht überzeugt sind, daß das Parlament wirklich den Baustopp der Regierung gutheißen wird, ruft sie zuvor noch zu einer Demonstration auf.%%

Roland Hofwiler