Kompromiß über Raketen in Sicht

■ Stoltenberg soll in Washington das Bonner Positionspapier vorlegen / „Baldige“ Verhandlungen über die Kurzstreckenraketen geknüpft an den „baldigen“ Erfolg der Wiener Verhandlungen

Bonn / Washington ( dpa / taz ) Zwölf Tage vor dem Nato-Jubiläumsgipfel geben sich Bonner Politiker in Washington die Klinke in die Hand. Neben dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Horst Ehmke und dem FDP -Staatsminister im Auswärtigen Amt Helmut Schäfer war auch CDU-Sicherheitsexperte Volker Rühe am Potomac. Jüngster Emissär in Sachen Kurzstreckenraketen ist Neu -Verteidigungsminister Stoltenberg, der während seiner zweitägigen Gespräche einen Kompromiß aus der Tasche ziehen soll.

Regierungssprecher Norbert Schäfer sprach in Bonn von einem Koalitionspapier mit entsprechender „Bandbreite“. Offenbar will man bei der Forderung nach „baldigen Verhandlungen“ über die atomaren Kurzstreckenwaffen bleiben, hat dem Wort „bald“ jedoch eine neue Konnotation gegeben: Bonn sei zu Verhandlungen über Kurzstreckenraketen erst dann bereit, wenn „zu einem bestimmten Zeitpunkt“ Ergebnisse der Wiener Konferenz über konventionelle Waffen vorliegen. Damit kann das Wörtchen „bald“ ab heute auch „baldige“ Erfolge in Wien bedeuten, damit auch „bald“ über die Kurzstreckenraketen verhandelt werden kann.

Rühe war am Mittwoch am deutlichsten, als er die konventionellen Verhandlungen in Wien als bedeutender einstufte und meinte, daß Bonn „hier auf baldige Ergebnisse drängt, die sicherlich auch den Beginn der Nuklearverhandlungen beschleunigen könnten“. Parallelverhandlungen sind damit vom Tisch.

Auch die Äußerungen auf der Seite der Vereinigten Staaten zeigen die entsprechende Bandbreite. Erstmals hat Verteidigungsminister Cheney in einem ZDF-Interview im Kontext der Nuklearwaffen von „Verhandlung“ gesprochen. „Erst sollte man bei den Verhandlungen über konventionelle Abrüstung bedeutende Reduzierungen erreichen, ehe wir weiter über atomare Abrüstung verhandeln.“ Und Außenminister Baker signalisierte schon am Wochenende: „Es ist wichtig, daß wir eine Lösung bei den konventionellen Ungleichgewichten bekommen, bevor wir uns um nukleare Kurzstreckenverhandlungen kümmern.“

Präsident Bush jedoch zögert weiterhin. Noch am Dienstag glaubte er: „Ich denke, es ist zu früh für Verhandlungen.“ Das wundert selbst seinen ehemaligen Chef Reagan. Der ließ durch den Mund des 'Washington-Post'-Kolumnisten Lou Cannon verlauten, er wundere sich langsam, wieso Bush den Konflikt mit Bonn über die Kurzstreckenraketen so habe eskalieren lassen.

AS