Sieben Jahre Haft für Ingrid Strobl gefordert

Bundesanwälte halten die Journalistin für schuldig, ein Sprengstoffverbrechen begangen und eine terroristische Vereinigung unterstützt zu haben / Ihr berufliches Engagement spreche zudem für eine „gewollte und bewußte Beteiligung“ an dem Anschlag  ■  Aus Düsseldorf Gitti Hentschel

Sieben Jahre Gefängnis und anschließende Führungsaufsicht forderten am Mittwoch abend die beiden Vertreter der Bundesanwaltschaft im Prozeß gegen die 37jährige Journalstin Dr. Ingrid Strobl. In einem fast dreistündigen Plädoyer erklärten Oberstaatsanwalt Lampe und sein Adlatus, Staatsanwalt Kruse, warum es für sie nach der Beweisaufnahme vor dem 5.Strafsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf „zweifelsfrei feststeht“, daß Ingrid Strobl am 1.September 1986 den Wecker der Marke EMES-Sonochron mit der Nummer 6457 gekauft habe, der am 28.Oktober 1986 von den Revolutionären Zellen (RZ) als Zündverzögerer bei einem Anschlag auf das Lufthansagebäude in Köln benutzt worden sei. Damit, so die Staatsanwälte, hätte sich die Journalistin der Beihilfe zu einem Sprengstoffverbrechen und zur Zerstörung eines Gebäudes sowie der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung schuldig gemacht. Sie wichen, einem Hinweis des Gerichts folgend, insofern von der Anklage ab, als sie nicht mehr von einer Mitgliedschaft Ingrid Strobls bei den RZ ausgingen, sondern von ihrer Unterstützung der RZ. Über weite Strecken klang ihr Plädoyer wie aus der Anklageschrift abgeschrieben, als hätte es gar keine Beweisaufnahme gegeben, und zwar insbesondere da, wo sie sich über Organisation und Struktur der RZ ausließen. Wiederholt wurden ihre Ausführungen von Unmutsäußerungen der ZuhörerInnen unterbrochen.

Für die Staatsanwälte ist Ingrid Strobl durch das „Weckerprogramm“ des BKAs eindeutig überführt, den bei dem Anschlag verwendeten Wecker gekauft zu haben. Die Beweiskette sei „lückenlos und zwingend“. Fehler bei der Produktion und Verpackung der vom BKA nummerierten Wecker oder bei der Kontrolle der Verpackungsnummern seien „denklogisch“ zwar möglich, real aber nicht aufgetaucht, erklärte Staatsanwalt Kruse und ging damit über sämtliche Widersprüche, Unstimmigkeiten und Erinnerungslücken von ZeugInnen hinweg. Für die Staatsanwälte waren die Belastungszeugen durchweg „überzeugend“ und „glaubwürdig“, das „Weckerprogramm“ des BKAs funktionierte, folgt man ihrer Argumentation, geradezu idealtypisch.

Daß Ingrid Strobl wissentlich den fraglichen Wecker gekauft habe, leitet Oberstaatsanwalt Lampe einerseits aus den „authentischen Selbstdarstellungen“ der RZ ab, nach denen der Kauf eines Weckers „nur durch eingeweihte Personen vorstellbar“ und die „Einbeziehung Außenstehender ausgeschlossen“ sei; andererseits aus dem Verhalten der Journalistin: So fand der Bundesanwalt „bemerkenswert“, daß die engagierte Feministin „Anlaß gehabt“ habe, beim Weckerkauf mit der Verkäuferin „zu parlieren“, obwohl sie sonst „nicht auf einer Welle funken“, und ihr erzählt habe, sie wolle den Wecker „für meinen Mann“. Eine Aussage, die die Verkäuferin auf Nachfrage jedoch relativiert hatte. Gegen Ingrid Strobl legte der Staatsanwalt auch aus, daß sie sich nicht für das Funktionieren des mechanischen Weckers und erst recht nicht für den „moderneren“ Quarzwecker interessiert habe: „Wäre sie unschuldig, hätte sie geredet.“ Für unwahr hielt er daher auch ihre Aussage, sie habe den Wecker für einen Bekannten gekauft. Denn dann wäre sie, so die Folgerung der Staatsanwälte, von den RZ hereingelegt worden, ein Verhalten, daß sich nach deren Erklärungen und Selbstverständnis aber ausschließe. Und außerdem sei er sicher, daß sich Ingrid Strobl das nicht gefallen lassen hätte: „Dann hätte sie seinen Namen genannt.“ Für Ingrid Strobls „gewollte und bewußte Beteiligung“ an dem Anschlag durch den Weckerkauf spreche außerdem, daß sie sich publizistisch mit denselben Themen beschäftigt hätte, wie die RZ sie aufgriffen, zum Beispiel Frauenunterdrückung, Asyl- und Ausländerpolitik. Zwar sei das „kein Indiz gegen sie“, doch sei es bei der Gesamtbewertung einzubeziehen.

Bei der Strafhöhe sei Ingrid Strobls bisher „tadelloses Leben“ zu ihren Gunsten zu bewerten. „Ambivalent“ sah Lampe dagegen ihr politisches Engagement. Ihr radikaler publizistischer Einsatz etwa für Frauen und Ausländer drücke zwar „Zivilcourage und Altruismus“ aus, doch die Anschläge der RZ seien Ausdruck fanatischer Rechthaberei, grenzenlosen Hasses gegen die staatliche Ordnung und von Zerstörungswut.