Chefarzt Professor Brinksäcker

Das ärztliche Bulletin des wiedergewählten Bundespräsidenten über den gesundheitlichen Zustand des Patienten Bundesrepublik gibt Anlaß zu großer Freude: Sie ist - und damit wir alle - „in guter Verfassung“. Diese diagnostische Meisterleistung kommt nicht von ungefähr: Professor Weizsäcker hat fleißig ferngesehen. Wie wir. Aber wo wir uns nur gelangweilt zu Tode amüsieren, hat er gelernt, hat sich ein Beispiel genommen, den Vorbildcharakter des Professor Brinkmann und seiner „Schwarzwaldklinik“ mit scharfem Blick erkannt.

Vertrauensbildende Maßnahmen und Narkose, so lautet der Erkenntniskern, bedeutet bereits halb geheilt. Sonore Stimme, gedämpfter Optimismus - schon ist der Patient beruhigt. Die Diagnose so formulieren, daß der Patient sich nicht erschrickt, daß er sich ruhig ins Bett legt und den Professor einen charismatischen Mann sein läßt - diese Szenen hat sich der Bundespräsident wieder und wieder lernbegierig angesehen. Besonders Professor Brinkmanns ständige Rede, „auch in der Schwarzwaldklinik sind wir keine Engel geworden, wir verrichten nur Menschenwerk, und das bleibt immer unvollkommen“, hat dem Bundespräsidenten so ausnehmend gut gefallen, daß er sie gleich in seine eigene Rede übernahm und im letzten Moment statt „Schwarzwaldklinik“ „Grundgesetz“ einfügte.

Sehr elegant hat er Professor Brinkmanns souveränen Umgang mit selbstgefälligen Kollegen nachgeahmt: Weizsäckers Kollege, der seinen Beruf infolge eines chronischen dialektal-labialen Black-outs mit „Bummskanzler“ anzugeben pflegt, kläfft unfeinerweise hin und wieder: „Wir regieren prima.“ Derart pubertäre Entgleisungen, mit denen sich auch Doktor Brinkmann herumzuschlagen hatte, fordern natürlich den vornehm professoralen Merksatz des Glottertal-Seminars heraus: „Wir dürfen uns so annehmen, wie wir sind“, sagt der Chef, und dieses göttlich-gemütliche Wir-Gefühl nehmen wir jetzt ins Fernseh-Wochenende mit hinüber, denn kraft ärztlicher Erlaubnis dürfen wir auch das Fernsehen so annehmen, wie es ist.