„Wiedervereinigungsrhetorik verlogen“

Berlin (dpa) - Die ständige Wiederholung der Forderung nach Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten und nach einer Abschaffung von Grenzen bringt nach Ansicht von Berlins Regierendem Bürgermeister Walter Momper (SPD) keine Fortschritte. „Die Wiedervereinigungsrhetorik ist unter den heutigen Prämissen verlogen“, sagte er am Mittwoch in der aktuellen Stunde des Bundestags. Sie blockiere das Denken, die Fortentwicklung des Verhältnisses zwischen den beiden deutschen Staaten, innere Entwicklungen in der DDR und letztlich auch die weitere Verbesserung der Situation in und um Berlin. „Tatsächlich ist das Empfinden der SED über die äußere Infragestellung der staatlichen Existenz der DDR ein Hindernis für tiefgreifende Reformen“, sagte Momper. Der SPD -Politiker fragte danach, ob es durchdacht sei, als Voraussetzung für weitere Entspannung das Niederreißen der Grenzen zu verlangen, wenn schon heute der Zustrom von Deutschen aus der DDR, Polen und der Sowjetunion „rechtsradikale Ressentiments“ wecke. Er bezweifelte auch, ob es durchdacht sei, von einer Wiedervereinigung zu reden, die zwei Staaten betreffe, die gegenüberstehenden militärischen Blöcken angehören.

Wesentliche Voraussetzungen für die weitere Verbesserung des deutsch-deutschen Verhältnisses und der Lage in und um Berlin sind nach Mompers Worten „der Fortgang der Abrüstung und die innere Entwicklung in der DDR und in den osteuropäischen Staaten“. Nach seinem Eindruck habe die DDR bisher auf dem Gebiet der Menschenrechte „das sich aus dem Helsinki-Prozeß ergebende Soll noch nicht erfüllt“. Er habe Honecker deutlich gemacht, daß die Ereignisse in China und ihre Kommentierung in den Medien der DDR als ein Rückschlag auf dem Weg zu guter Nachbarschaft und Verständigung zu werten seien. Er habe ebenso deutlich darauf hingewiesen, „daß jeder Schuß an der Mauer ein Rückschlag für die Entspannung in Zentraleuropa“ sei.