Chinas Parteichef Zhao ist entmachtet

An die Stelle des Reformpolitikers tritt der Deng-Vertraute und Technokrat Jiang Zemin / Säuberungswelle in der Partei angekündigt  ■  Von unserem Korrespondenten

Peking (taz) - Chinas Machtkampf an der Parteispitze ist endgültig entschieden. Der bisherige Generalsekretär Zhao Ziyang wurde abgelöst. An seine Stelle tritt der Pekinger Parteichef Jiang Zemin.

Am Samstag abend übertrug das staatliche Fernsehen die lang erwartete Abrechnung mit Zhao Ziyang. Seit seinem letzten dramatischen Auftritt im Mai, als er sich auf dem Platz des Himmlischen Friedens bei den Hungerstreikenden Studenten entschuldigte und mit dem Satz „Ich komme zu spät“ bereits die Wende in der Führung andeutete, ist Zhao nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen worden. Vier Wochen lang würdigten die Medien ihn keiner Erwähnung, und über seinen Verbleib gibt es keine offiziellen Nachrichten. Es heißt, er stehe unter Hausarrest. Am Samstag tagte die in großer Eile einberufene 4.Session des 13.Parteikongresses unter Vorsitz seines Widersachers Premier Li Peng. Anders als sonst üblich wurde die Tagung vorher mit keinem Wort in der Presse angekündigt. Einziger Zweck der einstimmigen Abstimmungsprozeduren per Handheben war die Verurteilung Zhaos und der Entzug aller seiner fünf Parteiämter, darunter Schlüsselpositionen wie Generalsekretär der Partei, Vizevorsitzender in der Militärkommandantur und Mitglied des ständigen Ausschusses des Politbüros. Seine offizielle Verdammung in Abwesenheit führte aber noch nicht zu seinem Parteiausschluß. Zhao hat damit das gleiche Schicksal wie sein Vorgänger Hu Yaobang ereilt, der nach den Studentenprotesten 1986 ebenfalls mit dem Vorwurf abgelöst worden war, er hätte „im Kampf zwischen den vier Grundprinzipien und der bourgeoisen Liberalisierung“ nicht energisch genug nach den Richtlinien der Partei durchgegriffen.

Mit identischen Formulierungen fallen nun die Ultrakonservativen mit Rückendeckung des Altfürsten Deng über Zhao her, seine moderate Haltung gegenüber der Studentenbewegung und seine Weigerung, mit Gewalt die Proteste auf dem Tiananmen zu unterdrücken, sei wesentlich mitverantwortlich für die Erstärkung des Liberalismus und den Ausbruch der konterrevolutionären Rebellion. Gleichzeitig bestätigten die Delegierten seine Nachfolger: Schanghais Bürgermeister Jiang Zeming übernimmt die Funktion des Parteichefs, Tianjins Bürgermeister Li Ruihuan nimmt Fortsetzung

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den Sitz im Ständigen Ausschuß des Politbüros ein. Beide Politiker gehören nicht zur alten Garde der Hardliner, haben es aber stets verstanden, im richtigen Moment ihre Loyalität zu beweisen. Als am 9.Juni Deng Xiaoping nach langer Zeit zum ersten Mal im Fernsehen auftrat und die Niederschlagung der Demokratiebewegung rechtfertigte, traten die beiden Bürgermeister noch am gleichen Abend vor die Kamera, um ihre uneingeschränkte Unterstützung auszudrücken. Während Jiang in Schanghai allen Trau

er- und Protestaktionen innerhalb von 24 Stunden ein Ende machte, lieferte Li in Tianjin Dutzende von geflohenen Pekinger Studentenführern an die Polizei aus und organisierte die ganze Arbeiterschaft in „Doppelschutztruppen“ gegen die „Rebellion“.

Der 62jährige Jiang wurde ebenso wie Ministerpräsident Li in den fünfziger Jahren in Moskau ausgebildet. Er gilt als Übergangskandidat und steht für die Fortsetzung der Wirtschaftsreformen ohne politische Liberalisierung. Wie tief jedoch das Ansehen der VR China im Ausland gesunken ist, zeigt die Zahl der Gratulanten für Jiang: Nur Erich Honecker und Nord-Koreas Präsi

dent Kim Il-Sung sandten Glückwunschtelegramme mit Freundschaftsbeteuerungen.

Die Säuberungen innerhalb der Partei sollen offenbar weitergehen: Alle Parteimitglieder, die während des „Aufruhrs“ und der „konterrevolutionären Rebellion“ die Parteidisziplin verletzt hätten, sollen hart bestraft werden, erklärte die ZK-Disziplinierungskommission gestern.

Die Jagd auf Anführer der Protestbewegung ging auch am Wochenende weiter. Nach offiziellen Angaben wurden bisher 1.800 Menschen festgenommen. Außerdem seien elf taiwanesische Studenten festgenommen worden, hieß es.