„Albert kennt Bremen nicht“

■ Zum Interview mit dem Musikfest-Macher (taz, 13.7.89)

Kompliment für Euch, daß ihr den Mut habt, Heißes anzufassen. Ich bin der Meinung, daß die Weser-Kurier-Kultur in Bremen längst tot ist. Leben kommt da, wo Ihr die Kultur am Wickel habt, möglicherweise nicht zuletzt wegen Eurer Berichterstattung.

Doch nun zu meinem eigentlichen Anliegen: Obwohl ich zugeben muß, daß Thomas Albert in seiner Kritik des Landesmusikrates recht hat und ich dieses Gejammer auch nicht mehr produktiv finden kann, da es mindestens zu spät kommt, halte ich Alberts Äußerungen für unerträglich naiv und blauäugig. Es ist ja gar keine Gefahr, daß der Staat hier zuviel und die Industrie zu wenig macht, denn der Staat tut doch in Bremen so gut wie gar nichts, und ohne Sponsoring wäre die Breminale kläglich ins Wasser gefallen. Und stehenlassen kann man auch nicht, daß hier ein Elfenbeinturm existiert aufrgraund „staatlicher Künstlerzucht“ (solche Töne kommen mir verdächtig aus der rechten Ecke). Wer hier im Elfenbeinturm sitzt und das Bremer Kulurtuleben nicht mehr sieht, ist Herr Albert, sonst sehe ich nichts dergleichen an Künstlerzucht. Empörend für mich ist, daß Albert behauptet, daß von Bremer Künstlern zuwenig an Strukturellem in die Politik gebracht wird: allein der Fall dacapo widerspricht dieser Aussage schon. dacapo wird bestenfalls mit Almosen versorgt, und das auch nur bis Ende 1989. Thomas Albert kennt Bremen nicht. Oder sollte das Opportunismus sein, was er da so sagt?

Erwin Koch-Raphael