Betriebsrat gibt auf

■ Das Lebensmittelunternehmen Schoener ist endlich am Ziel: Der bekämpfte Betriebsratsvorsitzende hat einen Auflösungsvertrag abgeschlossen

Das Lebensmittelunternehmen Schoener GmbH brauchte gestern nicht mehr beim Amtsgericht versuchen, die Kündigung ihres Betriebsratsvorsitzenden zu erzwingen. Rolf Niederstrasser hat das Handtuch geschmissen. Der Gewerkschafter hat einen Auflösungsvertrag seines Arbeitsverhältnisses bei dem Neuköllner Instantgetränkehersteller unterschrieben. Damit hat es die Firma mit 120 Beschäftigten nach jahrelangen Querelen geschafft, den unbequemen Betriebsratsvorsitzenden loszuwerden.

Der Kopf Niederstrassers war der Preis für Betriebsvereinbarungen zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat. Vereinbarte Lohnerhöhungen wollte G.L. Schoener nur zahlen, wenn der Betriebsrat seine Klagen beim Amtsgericht gegen verordnete Überstunden und die Beschäftigung von Leiharbeitern zurückzieht. Außerdem verlangte die Firma für Niederstrasser eine „Lösung“. Die Firma versucht seit langer Zeit, Niederstrasser durch Kündigungsklagen aufgrund konstruierter Sachverhalte rauszusetzen. Schließlich war der Druck gegen den Betriebsratsvorsitzenden so stark geworden, daß er nachgab: Auf einer hinter seinem Rücken einberufenen Belegschaftsversammlung wurde der Vorwurf gemacht, Niederstrasser gefährde die Existenz der Firma durch sein Festhalten an Arbeitnehmerrechten.

Eine „Lösung“ wäre für die Firma die Versetzung Niederstrassers innerhalb des Betriebes gewesen, was er aber nach juristischer Beratung wegen des damit verbundenen Verlustes allen Kündigungsschutzes ablehnte. „Wegen der Verantwortung gegenüber meiner Familie habe ich der Auflösung zugestimmt“, so der 49jährige. Auf die Dauer hätte ihn G.L. Schoener rausgekantet, davon ist Niederstrasser überzeugt. Dann wäre er arbeitslos und schwer vermittelbar. Sein Name dürfte auch bei den Arbeitgebern bekannt sein. „Das Kapital hat den längeren Atem“, sagt sein Rechtsanwalt und riet zur Aufgabe des Jobs.

Auch von seiner Gewerkschaft Nahrung Genuß Gaststätten (NGG) erhielt Niederstrasser keine Unterstützung. Im Gegenteil wurde er für seine Mitgliedschaft im klassenkämpferischen Solidaritätskomitee für die entlassenen Gewerkschafter in der Süßwarenindustrie angegriffen. Über die Modalitäten des Auflösungsvertrages wurde striktes Stillschweigen vereinbart.

Rainer Wernicke