Basismann und Politiker

■ Alexeij Jablokow, der Chef der sowjetischen Greenpeacesektion

Alexeij Jablokow ist groß, hager, hat einen grauen Bart und lächelt, wenn er nicht spricht. Ein freundlicher Mittfünfziger, als Meeresbiologe eine Kapazität. Doch der Professor am Moskauer Koltzow-Institut, künftig auch Leiter des Greenpeacebüros in der Sowjetmetropole, kann sehr energisch werden. Im Obersten Sowjet, den er berät, sagte Jablokow dem Ministerpräsidenten Nikolai Ryschkow ins Gesicht, er sei ein „ökologischer Analphabet“. Dem gesamten Politbüro stellte er ein schlechtes Zeugnis in Sachen Umweltschutz aus und warnte die KPdSU, wenn sie nicht bald „ergrüne“, werde die Ökologiediskussion an der Partei vorbeigehen.

Jablokow, inzwischen auch Abgeordneter der Volksdeputiertenkammer, prophezeite bereits während einer Pressekonferenz von Greenpeavce in Leningrad, daß er auf Ergebnisse drängen wird. Besonders die katastrophale Wasserqualität der sowjetischen Seen und Flüsse macht ihm Sorgen.

Noch hat die Regierung sich nicht zu der Gründung einer sowjetischen Greenpeacesektion geäußert, berichtet Jablokow, „doch sie wird bald von uns hören und reagieren müssen“.

Jablokow ist Basismann und Politiker zugleich. Er leitet die sowjetische Greenpeacesektion und ist zweiter Vorsitzender der Parlamentskommission für Ökologie. So hat er Zugang zu wichtigen Daten und gilt als hervorragend informiert. „20 Prozent der sowjetischen Bevölkerung leben in ökologischen Desasterzonen“, sagt Jablokow, und nochmals 40 Prozent unter ökologisch schlechten Bedingungen. Als Folge davon sei die Lebenserwartung um durchschnittlich fünf bis sieben Jahre geringer als in anderen industrialisierten Ländern. In der Sowjetunion sieht der neue Greenpeacemann eine „ungeheure industrielle Entwicklung ohne ökologische Beschränkungen“. In der Landwirtschaft beklagt er den starken Pestizideinsatz. Nach seiner Rechnung werden jährlich zwei Kilo Gift auf jeden Hektar Boden gebracht. Und es gebe Regionen mit zehn oder fünfzig Kilo und in einem Fall seien sogar 200 Kilo versprüht worden. Jablokows bester Verbündeter im Obersten Sowjet ist Kakim Salyukow, der Chef der Ökologiekommission.

Jürgen Streich