Wechselbad der Gefühle

■ „Einige Tage mit mir“ von Claude Sautet

Die Namen sprechen eine klare Sprache in diesem Film. Seinem Helden Martial Pasquier (Daniel Auteuil) ist keine Ruhe vergönnt; nach außen versprüht er zwar den somnambulen Charme eines Unbeteiligten, in seinem Inneren aber herrscht emotionale Konfusion. Auch da, wo die Namen nicht sofort die Figuren charakterisieren wie bei dem fleißigen Buchhalter Travail, weisen sie doch die Typen aus: als Typen. So heißt ein grobschlächtiger Zocker schlicht Max, und ein zwielichtiger Ganove nennt sich prahlerisch Rocky. Wenn es um die Gefühle geht in diesem Film, dann wird seine Sprache komplizierter. Pasquier, reicher Erbe eines Supermarkt -Imperiums, tritt eine Dienstreise an nach Limoges, wo er die Kassenbücher einer Filiale überprüft. Aus der Stippvisite wird ein Aufenthalt für länger: Per Zufall begegnet er dem Dienstmädchen Francine (Sandrine Bonnaire), dem ersten Menschen seit Jahren, mit dem er wieder Lust hat zu reden, und zwischen den beiden beginnt eine verquere Liebesgeschichte. Alle Welt hält den introvertierten Pasquier für einen Verrückten; was daran liegt, daß er sich über alle gesellschaftlichen Konventionen hinwegsetzt und die verlogenen Spielregeln der High Society nicht nur bricht, sondern entlarvt. Von Francine erwartet er fast nichts, also viel zuviel.

Die Bilder sprechen eine einfache Sprache in diesem Film. Claude Sautet ist ein Regisseur des ruhigen Blicks, seine Kamera bleibt immer auf Augenhöhe. Die solide, im besten Sinne altmodische Inszenierung vertraut ganz auf den Klang der Gesten, auf die Melodie der Blicke. Es wird sehr viel geredet, aber die Bilder handeln von der Nutzlosigkeit der Worte, es wird erklärt und beschworen, aber die Wahrheit steht längst in den Gesichtern geschrieben. Sautet demaskiert seine Figuren, ohne sie zu denunzieren. Wie sehr er sie alle über die Klassen und Schichten hinweg respektiert, wenn nicht liebt, zeigt die schönste Szene des Films: Da laden Pasquier und Francine zu einer Party, deren Gästeliste alle erdenklichen Gegensätze vereint. Aber was zunächst wie ein boshafter Akt erscheint und als Abend der Peinlichkeit beginnt, verläuft als ausgelassenes Fest der Verbrüderung, bei dem die einen die Hemmungen ablegen und die anderen die Vorurteile. So wächst die Gruppe zusammen, und eine Utopie wird, für kurze Zeit, zur Realität.

Am Schluß, wenn die groteske Satire zur Tragikomödie sich wandelt, verliert der Film von seinem Charme, von seiner geschlossenen Dichte. Da wirkt alles ein wenig zu konstruiert, und Stilbrüche - eine Zeitlupe, ein paar Zooms und ein plötzlich auftauchender Erzähler - schleichen sich ein. Dennoch führte Sautet das Geschehen an seinen konsequenten Schlußpunkt: am Ende nimmt Pasquier die Schuld auf sich für das von ihm initiierte (und durchlaufende) Wechselbad der Gefühle. Und endlich findet er seine Ruhe.

Frank Schnelle

Claude Sautet: Einige Tage mit mir mit Daniel Auteuil, Sandrine Bonnaire, Jean-Pierre Marielle, Frankreich 1988, 131 Min.