Namibias Unternehmer optimistisch in Sachen Unabhängigkeit

Rössing-Chef: „Wir arbeiten immer mit der jeweiligen Regierung zusammen“ / Swapo will nicht mehr verstaatlichen oder Südafrikakontakte sofort kappen  ■  Aus Namibia Gaby Mayr

Der gepflegte Mittvierziger mit distinguiertem englischen Akzent ist optimistisch. „Die Unabhängigkeit wird eine große Sache für Namibia“, meint Dr.Steve Kesler. Er ist Generaldirektor der Rössing-Uranmine. Seit 1976 schürft das britisch geführte Unternehmen im Tagebau rund um die Uhr Uranerz in der letzten afrikanischen Kolonie und produziert daraus bis zu 5.000 Tonnen Uranoxyd pro Jahr, das als Grundstoff für Kernbrennstäbe an zahlreiche westliche Industrieländer geht.

Nicht weniger als 17 Prozent des namibischen Bruttoinlandsprodukts und 35 Prozent der Exporterlöse erwirtschaftet die Rössing-Mine. Die Produktionsanlage verschlingt ein Drittel der namibischen Energie. Die 2.400 Rössing-Beschäftigten verdienen für namibische Verhältnisse Spitzenlöhne; das Management verweist gerne auf günstige Werkswohnungen, Kindergärten und Bildungsangebote. Die Kehrseite der Medaille: Tagsüber lastet eine brütende Hitze auf dem fast vier Quadratkilometer großen Erdloch und den angrenzenden Produktionsanlagen mitten in der Namib-Wüste. Vor allem die 1.400 Produktionsarbeiter sind starker radioaktiver Belastung ausgesetzt; Besonders hoch ist sie in der Endstufe der Produktion, bei der das konzentrierte Uranpulver herausgefiltert wird. Dort werden die Arbeiter laut Firmenangaben im Durchschnitt mit 763 Millirem pro Jahr belastet. Wenn die Geschäftsleitung Ergebnisse von Untersuchungen auf Radioaktivität im Urin ans Schwarze Brett hängt, herrscht Ratlosigkeit bei den Beschäftigten und ihrer Gewerkschaft, die erst vor drei Jahren gegründet wurde. „Ob die Werte hoch oder niedrig sind, können wir nicht beurteilen“, sagt Paul Rooi von der Mineworkers Union of Namibia. Unabhängige WissenschaftlerInnen, die die GewerkschafterInnen beraten könnten, gibt es in Namibia nicht. Die Geschäftsleitung fühlt sich mit dem Hinweis auf die umfassende medizinische Betreuung der Beschäftigten und ihrer Familien aus dem Schneider. Sie hat andere Sorgen: Der Uranabsatz auf dem Weltmarkt stockt. Zusätzlich trifft die Uranmine der Bannstrahl von US-Sanktionen gegen Südafrika. Das erklärt Steve Keslers vehementes Plädoyer für Namibias Unabhängigkeit.

Bedeutend weniger namibisch denkt der Generaldirektor beim UNO-Dekret Nr. 1, das allen ausländischen Unternehmen verbietet, namibische Bodenschätze auszubeuten und zu exportieren, da das Land illegal besetzt sei. „Das UNO -Dekret Nummer 1 ist von der britischen Regierung nicht anerkannt worden“, sagt der britische Manager. Sein Kollege Abel Gower, Chef des südafrikanischen Diamantenkonzerns Consolidated Diamond Mines (CDM), hat noch nie etwas von dem Dekret gehört. Die beiden Konzernchefs denken lieber an die Zukunft. CDM plant in den kommenden fünf Jahren Investitionen von umgerechnet einigen hundert Millionen Mark, mit denen eine Goldmine eröffnet und neue Diamantenfelder erschlossen werden sollen. Seit ein paar Jahren herrrscht ein weltweiter Diamantenboom, und die namibischen Rohdiamanten sind besonders wertvoll: Über 90 Prozent der Ausbeute an Namibias Südküste wird zu Schmuckdiamanten verarbeitet.

Seit kurzem schürfen Taucher mit Saugpumpen vor der Küste des „Sperrgebietes“ nach den begehrten Glitzersteinchen; aus Angst vor Diamantendieben war der 300 Kilometer lange und 100 Kilometer breite Küstenstreifen schon unter deutscher Kolonialherrschaft für alle tabu, die keine Genehmigung der Diamantengesellschaften vorweisen konnten. Die unterseeischen diamanttragenden Schichten sind 20 bis 30 Kilometer von der Küste entfernt und über hundert Meter unter Wasser. „Wir nehmen jetzt Proben und entwickeln Techniken, um dort draußen abzubauen“, skizziert Keith Whitelock, der CDM-Produktionsleiter vor Ort, die Marschrichtung für die Zukunft.

Anfang 1989 ist Nicholas Oppenheimer vom CDM-Vorstand mit Swapo-Chef Sam Nujoma in London zusammengetroffen. Rössing pflegt schon länger Kontakte zu der Befreiungsbewegung. Die Aussicht auf eine künftige Swapo-Regierung schreckt Rössing -Chef Kesler nicht. „Wir arbeiten immer mit der jeweiligen Regierung zusammen“, verkündet er. Bis ins Jahr 2012 reichen die Abbaupläne des Unternehmens. Laufend niedergebrachte Probebohrungen haben ergeben, daß noch weit darüber hinaus Uran aus namibischer Erde zu holen wäre. Durchaus vorstellen können sich die beiden Top-Manager, der Regierung eines unabhängigen Namibias ein paar Anteile und damit Sitz und Stimme in den Aufsichtsgremien ihrer Unternehmen zu überlassen, wie es in Afrika weitverbreitete Übung ist. Bei der Aussicht auf höhere Steuern mauern Kesler und Gower allerdings. Mit Abgaben zwischern 60 und 70 Prozent auf ihre Gewinne fühlen sich die Multis bereits reichlich geschröpft: „Es bestünde die Gefahr, daß wir nicht mehr konkurrenzfähig sind“, befürchtet Gower im zehnten Stock des spiegelverglasten CDM-Hauptquartier in Windhoek.

Tiefe Sorgenfalten lassen die beiden Manager bei dem Gedanken aufziehen, das unabhängige Namibia könne seine Wirtschaftsbeziehungen zum benachbarten Südafrika kappen. Nach 70 Jahren Kolonialherrschaft muß Namibia jede Schraube, jeden Sack Zement vom Kap importieren, weil eine verarbeitende Industrie fast völlig fehlt. Selbst die im Land reichlich gezüchteten Rinder werden nach Südafrika geschafft, um dort geschlachtet und als tiefgefrorene Koteletts nach Namibia zurücktransportiert zu werden.

Trumpfkarte

in der Walfishbay

Nach der Unabhängigkeit wird Südafrika mit dem Tiefwasserhafen Walfishbay eine besondere Trumpfkarte in der Hand halten. Der fünftgrößte Hafen im südlichen Afrika ist eines der wichtigsten Fischverarbeitungszentren der Erde und der einzige Hafen an der namibischen Küste, in dem moderne Frachtschiffe festmachen können. Ab 1922 wurde der ehemals britische Handelsposten von Windhoek aus verwaltet. 1977 erklärte Südafrika Walfishbay, das halb so groß ist wie das Saarland, zum Bestandteil der südafrikanischen Kap-Provinz. „Walfishbay bleibt südafrikanisches Gebiet, das ist überhaupt keine Frage“, schlägt Südafrikas Generalverwalter Louis Pienaar in Windhoek für die Zeit nach der Unabhängigkeit Pflöcke ein.

Die Swapo scheint sich der Macht der Verhältnisse zunehmend zu beugen. Früheren Forderungen nach Verstaatlichungen erteilt das im November 1988 verabschiedete Wirtschaftsprogramm eine Absage. Statt dessen will die Befreiungsbewegung „neue und angemessene Verträge“ mit den Multis aushandeln. Der frisch ernannte Swapo-Wahlkampfleiter Hage Geingob hat kürzlich vor Geschäftsleuten in London noch einen moderateren Ton angeschlagen: Zwar müsse der wirtschaftliche Einfluß des Auslands, vor allem Südafrikas verringert werden. Eine siegreiche Swapo werde die Mitgliedschaft Namibias in der Südafrikanischen Zollunion und den Währungsverbund mit dem Rand allerdings nicht gleich aufkündigen, sondern „überdenken“.