Bremen - ein Feld, das nach Neuem sucht?

■ taz-Gespräch mit Ingo Ahmels, DaCapo-Mastermind und Koordinator des „Bremer MusikRest 1989“

taz:Was ist der MusikRest, was soll diese Veranstaltungsreihe?

Ingo Ahmels: Der MusikRest zeigt die kontinuierlichen Bemühungen verschiedener Veranstalter, eine Kultur des Hörens zu entwickeln, die weitergreift als ein Festival wie das Musikfest. Das ist keine exklusive Veranstaltung, sondern das, was wir ohnehin machen und was sich gar nicht zu verstecken braucht.

Was heißt Weitergreifen?

Es ist strukturell etwas anderes. Man kann, etwas platt vielleicht, so eine Sache wie das Musikfest Bremen kennzeichnen als ein Festival „Kultur von Oben“. Da sitzt jemand, der kriegt Geld, hat die richtigen politischen Freunde und muß, allerdings in einem viel zu kurzen Zeitraum, eins dieser Festivals organisieren, die eindeutig eine Repräsentationsfunktion haben. Das heißt, es wird herrschende Kultur zur Schau gestellt und als Begründung heißt es, Bremen soll zur Musikstadt gemacht werden. Das ist aber angesichts des geringen Musiketats ein Witz.

Könnte man es nicht versuchen?

Man braucht dafür aber Zeit, man kann da nicht Sachen übers Knie brechen und das auch nicht an der Bremer Szene vorbeiorganisieren. Inhaltlich habe ich mit den meisten Sachen, die beim Musikfest angeboten werden, wenig Probleme, es geht aber um eine

kulturpolitische Entscheidung, die ich für sehr bedenklich halte: daß man nämlich anstatt längerfristig konzeptionell mit den Kräften am Ort, also mit dem eigentlichen Kreativpotential daran zu arbeiten, das Musikleben in Bremen zu entwickeln, so einen

Schnellschuß macht und nicht merkt, worauf man sich da eingelassen hat.

Meine Hauptkritik an dem Musikfest ist eigentlich, daß man die lokale Szene, die sehr breit und interessant ist, und wo es wirklich neuartige Ansätze gibt, und span

nende Entwicklungen, daß man die praktisch austrocknet, während man diesem Spitzenkulturereignis, das man da krampfhaft aufbauen will, die Millionen nachwirft.

Ich verstehe nicht, wie Franke und Hofmann, die doch hier nicht die nächste Wahl zu befürchten hätten, panisch, ohne vernünftige Vorplanung so eine Sache durchziehen, wo sie doch ruhigen Gewissens das Eigentliche, was Bremen bietet, hervorkehren könnten, das modellhafte, etwas zu versuchen, was es anderswo nicht gibt. Man sollte versuchen, eine Stadt wie Bremen darzustellen als ein Feld, das sucht, das nach Neuem sucht, auch nach neuen Formen der Vermittlung.

Ist das jetzt ein Plädoyer für den Regionalismus, für die Entwicklung der bremischen Provinz?

Wenn ich mir die allgemeine kulturelle Entwicklung anschaue, denke ich, findet eine Vereinheitlichung statt, eine Zentralisierung, es wird alles auf große Namen zurechtgestutzt. Das gilt für den sogenannten populären Bereich ganz genauso, wie für den sogenannten klassischen Bereich und dabei geht vieles verloren.

Der Versuch, ein Spitzenkulturfestival in diese Stadt zu holen, ist ja ein Versuch, auf diese Situation zu reagieren.

Ich habe überhaupt nichts gegen Spitzenkultur. Ich finde das sehr

wichtig, daß es hier auch Konzerte gibt, die wirklich erstklassig sind in jeder Beziehung, aber das was wir ohnehin machen, braucht sich da gar nicht zu verstecken. Ich würde schon, etwas augenzwinkernd vielleicht, sagen, daß wir auch Spitzenkultur machen. Und wo ist denn bei diesem Musikfest das europäische Ereignis? Das Angebot ist keineswegs so besonders und außergewöhnlich.

Ich möchte jetzt aber eher in die Richtung denken, wie soll das weitergehen? Meine Hauptfrage an die Kulturpolitiker wäre: Was sind die längerfristig tragfähigen Konzeptionen, die ihr uns zu bieten habt? Man sollte mehr in der Richtung gehen, daß man die verschiedenen Bestrebungen, die es gibt, darstellt, zeigt, gelten läßt, auch Widersprüche gelten läßt, und auch die gesellschaftlichen Zusammenhänge herstellt.

Wenn Marlboro sagt, „Für das Echte gibt es keinen Ersatz“ dann sollten wir das ruhig mal ernst nehmen und von diesem Surrogat-Charakter wegkommen, Kulturveranstaltungen als Vorwand zu benutzen. Natürlich sind Konzerte zu einem großen Teil auch gesellschaftliche Ereignisse. Man müßte aber einen Zusammenhang zu den wirklich existenziellen Bedrohungen herstellen, also Kunst nicht als Kunst für die Kunst sondern als eine Stellungnahme mit künstlerischen

Mitteln zu Problemen die uns alle individuell oder kollektiv betreffen, Ängste, Hoffnungen und Freude, Leid und kollektiv die globalen Bedrohungen - da muß die Kunst und auch ihre Vermittlung Stellung zu beziehen.

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