Fußball ist Fußball

In Dortmund verdichtet Trainer Boskov seine Erfahrung zur herbergerschen Zauberformel - nur noch reiner  ■  PRESS-SCHLAG

Fußball ist Fußball,“ sagt Vujadin Boskov, der Trainer von Sampdoria Genua, und man muß ihm einfach glauben. Schließlich hat er das Charisma eines ganz großen in der Branche. In einem solchen Satz läuft die Erfahrung eines ganzes Trainerlebens zusammen, ein in kristallener Klarheit formulierter Ewigkeitswert.

Ein glückliches Lächeln liegt auf den Gesichtern seiner Zuhöher im Presseraum, die sich von der großen weiten Fußballwelt angeweht fühlen. Boskov übersetzt seine Ausführungen mit strahlendem Blick ins italienische, verdoppelt dabei seine Redegeschwindigkeit und weiß, daß er hier alle in seinen Bann zieht, daß seinem Charme niemand widerstehen kann. Dann sagt er es noch einmal, der glückliche Alchemist, der die Zauberformel für eine Sportart gefunden hat: „Fußbhall ist Fußball.“

Auch Horst Köppel, Trainer von Borussia Dortmund, steht deutlich unter dem Eindurck seines Vorredners. Fasziniert echot er zunächst die Quintessenz dieses Abends, die Wahrheit über dieses Europapokalspiel vor 45.000 Zuschauern, die schicksalhafte Dimension dieser 90 Minuten im Westfalenstadion, und vielleicht aller 90 Minuten überall auf der Welt: „Ja, Fußball ist Fußball.“

Auch er spürt, daß dieser Satz größer ist als seine großen Vorläufer Der Ball ist rund oder Ein Spiel dauert neunzig Minuten. Dieser Satz ist ungetrübt von irgendwelcher Bildlichkeit und Symbolhaftigkeit: rein, klar, essentiell. Nicht einmal eine dieser achselzuckenden Partikel stört hier noch, wie, wenn es etwas „Fußball ist eben Fußball“ hieße.

„Alles, was mein Vorredner gesagt hat, stimmt,“ sagt Horst Köppel dann. Den Kopf leicht gehoben geht sein Blick in Ferne, dahin, wo dieses Spiel in verdichteter Form noch einmal abläuft. Die mäßige erste, die fantastische zweite Halbzeit, das Tor von Jürgen Wegmann in der 61. Minute, die vielen Chancen, das Ergebnis zu erhöhen, die großartige Leistung von Andreas Möller in dieser zweiten Halbzeit, die tolle Leistung des sonst nur braven Fleißkärtchensammlers Michael Lusch, die Chancenlosikeit der Vialli/Mancini/Pellegrini, und dann die letzte Minute.

Er spricht nicht über alles, aber sieht es alles direkt vor sich. Der Freistoß für Sampdoria in die Hälfte von Borussia, der verunglückte Kopfball von Thomas Kroth, der Mancini in den Lauf springt, den herausstürtzenden Teddy de Beer, den Ausgleich, der wahrscheinlich das Aus im Europapokal bedeutet.

„Fußball ist Spiel wo Glück ist sehr wichtig“, hat Vujadin Boskov vorher gesagt. Auch damit hat er natürlich recht, gerade an diesem Abend. Auch mit dem in Dortmund schon zur Dauereinrichtung gewordenen Lob ans Publikum. „Ich war viermal in Deutschland'aber nirgendwo Fußball hat so warme Atmosphäre. Hier ist Fußball Spektakel. Und wenn Fußball geht mit solche Spiele, wir alle haben mehr Zuschauer.“ In Genua, das macht er allerdings auch klar, muß sich Borussia ganz luftig anziehen. „Wir in Genua haben noch zwei- bis dreimal mehr warme Atmosphäre.“

Horst Köppels erste Retrospektive dieses Spiels ist vorüber, in der Nacht wird sie wohl noch mehrfach wiederholt werden. Er hat auch den Worten seines Vorredners aufmerksam gelauscht, hat alles geprüft und setzt zu einem Schlußwort an: „Es ist heute abend schon einige Male gesagt worden, und ich sage es noch einmal - Fußball ist Fußball.“

Noch weitere Fragen an Herrn Köppel? Nein, natürlich nicht.

Christoph Biermann

DORTMUND: De Beer - Kroth - Kutowski, Helmer, Schulz Lusch, Zorc, Möller, MacLeod - Driller, Mill (46. Wegmann)

GENUA: Pagliuca - Pellegrini - Mannini, Vierchowod - Dossena (88. Salsano), Katanec, Pari, Victor (74. Lombardo), Carbone - Vialli, Mancini