Wenn die Mutter mit dem Kinde...

■ Kleiner Wegweiser durch das Ämterdickicht für Mütter, Väter, Ehepaare, Kinder und andere AusdauersportlerInnen

„Für's Kind ist es einfach besser, wenn die Eltern verheiratet sind“, verkündet die frischgebackene Mutter, bis vor kurzem eine überzeugte Gegnerin der staatlichen Absegnung von Liebes- und Lebensgemeinschaften. Der jahrelang unverehelichte Lebensgefährte und Neu-Ehemann nickt, hat er doch gerne seinen klangvollen Namen für den amtlich festgezurrten Familienverbund zur Verfügung gestellt.

Von 3.409 Paaren, die im vergangenen Jahr den Weg zu einem Bremer Standesamt antraten, hatten fast acht Prozent „gemeinsame voreheliche Kinder“ (Statistiker-Deutsch). 1971 strampelte nur bei drei Prozent der Jungvermählten der Nachwuchs schon in der Wiege. War der gesellschaftliche Druck auf nichtverheiratete Eltern damals so groß, daß der Gang zur Standesbeamtin keiner weieren Erklärung bedurfte, haben Paare heute eine ganze Reihe Begründungen parat, wenn sie

sich des Kindes wegen das Jawort geben. Die Tochter soll nicht unter den Hänseleien der Nachbarskinder leiden, weil sie anders heißt als der Vater. Der Vater soll den Kleinen in der Schule anmelden oder zur Blinddarmoperation begleiten können. Schließlich soll der Vater nicht rechtlos dastehen, falls der Mutter „etwas zustößt“ oder das Undenkbare passiert und die heute glücklichen Eltern sich eines Tages trennen.

Bei all den rechtfertigend vorgetragenen Argumenten fällt auf, daß vom Kind bisweilen, vom Vater oft und von der Mutter gar nicht die Rede ist.

Tatsache ist, daß nach geltendem Recht bei nichtverheirateten Eltern allein die Frau das Sorgerecht für das gemeinsame Kind hat. Eine schlichte, von niemandem zu beglaubigende Vollmacht der Mutter verschafft auch dem Vater das Recht, das Kind zu vertreten. Nur wenn er den Nachnamen des Kindes ändern will, muß

die Mutter zustimmen. Falls die Mutter stirbt, muß der Vater nicht fürchten, sein Kind an Verwandte mütterlicherseits oder ans Heim zu verlieren: Einer - allerdings beglaubigten

-Erklärung der Mutter, daß der Vater das Sorgerecht erhalten soll, wenn sie es nicht mehr ausüben kann, wird das Vormundschaftsgericht folgen, wenn nicht zwingende Gründe dagegenstehen. Die Beglaubigung besorgen sich ökonomisch denkende Eltern beim Jugendamt, denn dort müssen sie sowieso vorstellig werden. Für unverheiratete Eltern gilt nämlich: Jugendamt statt Standesamt.

Ein nichteheliches Kind erhält automatisch mit der Geburt einen Amtspfleger, der Vaterschaft und Unterhaltsansprüche gegen den Vater klären muß. Sind sich die Eltern einig, ist das Verfahren denkbar einfach: Die Eltern machen dem Amtspfleger ihre Aufwartung, zum Beispiel Hans-Dieter Sammann, der sein Büro im düsteren Volkshaus hat. Der Vater unterschreibt, daß er tatsächlich der Vater des Kindes ist, und die Mutter unterschreibt, daß sie „durchaus in der Lage“ ist, ihr Kind selbst zu vertreten. Damit ist die Amtspflegschaft aufgehoben, und das Kind hat nicht nur tatsächlich, sondern auch rechtlich einen Vater.

Am längsten dauert das saubere Abtippen der Erklärungen. Hans-Dieter Sammann schickt seine Kundschaft währenddessen gerne in die Volkshaus-Kantine im unverfälschten Fünfziger -Jahre-Design. Dort baumeln wahrscheinlich noch die Girlanden vom letzten Fest unter der Decke, auf jeden Fall aber sitzen alte Männer an rotweiß betuchten Tischen über einen Teller Eintopf oder eine Tasse Kaffee gebeugt. „Vor allem die akademischen Berufe wollen nicht mehr heiraten“, stöhnt der amtspflegend ergraute Hans-Dieter-Sammann. Sie machen ihm Arbeit, die ihm niemand lohnt. Denn aufgehobene Amtspflegschaften sind durchlaufende Posten, die in keiner Statistik auftauchen. Mehr als 50 Fälle hatte er im vergangenemn Jahr, und er ist nur einer von acht zuständigen BeamtInnen auf dem Flur.

Hat das nichteheliche Kind jetzt auch einen rechtlichen Vater, wird es namentlich immer noch einem Elternteil zugeschlagen. Das nichteheliche Kind heißt automatisch wie die Mutter, kann den Namen des Vaters bekommen, verliert aber dann den der Mutter. Das Verwaltungsgericht Schleswig hat kürzlich einem nichtehelichem Kind die Namen beider Eltern zugestanden, vertritt aber sicher eine Minderhei

tenposition.

Brigitte Melinkat von der Bre mer Gleichstellungsstelle sieht eine Lösung eher in einer Reform des Namensrechts, nach der auch Eheleute ihre Namen behalten können und für die Kinder eine akzeptable Lösung vorgesehen ist. Bleibt ein Nachteil für nicht verheiratete Eltern: Nur die Mutter kann erziehend urlauben, während bei Ehepaaren auch der

Vater den Erziehungsurlaub ganz oder teilweise nehmen kann. Schließlich macht ein Umstand manchem nichtehelichen Vater zu schaffen: Geraten die Eltern in Streit, kann die Frau dem Mann die Vollmacht zur Vertretung des gemeinsammen Kindes entziehen. Im Konfliktfall sitzt die Frau nach geltendem Recht also am längeren Hebel - einmal. Gaby May