Wahlen ohne Spannung

In Uruguay finden am Sonntag Präsidentschafts-, Parlaments- und Gemeindewahlen statt / Die größten Chancen hat ein Kandidat, der keiner ist  ■  Aus Montevideo Gaby Weber

Kein Zweifel, in der Wählergunst steht Pinchinati, der Chef der „Vereinigten Partei der Traditionalisten“ (PUT), ganz oben. Vor 15.000 jubelnden Anhängern im Fußballstadion Penarol verrät der PUT-Kandidat, daß ihm US-Präsident Bush den Job als Staatschef Panamas angeboten hätte. Trotz seiner guten Chancen werden Pinchinatis Anhänger vergeblich seinen Namen auf den Listen suchen, wenn sie am Sonntag ihr Kreuz für die Präsidentschafts-, Parlaments- und Gemeinderatswahlen machen: Pinchinati ist die Erfindung eines TV-Showmasters.

Seine Popularität bei den zwei Millionen uruguayischen Wählern verdankt Pinchinati dem langweiligen Wahlkampf im US -Stil: Die Anzeigenschlacht wird um Personen und nicht um Inhalte geführt, obwohl zum ersten Mal seit 1971 alle Parteien zur Wahl zugelassen sind. Zur neoliberalen Wirtschaftspolitik bietet keiner der traditionellen Politiker Alternativen an.

Die meisten Meinungsforscher prophezeien einen Wahlsieg der oppositionellen Nationalen Partei mit Luis Alberto Lacalle vom rechten Parteiflügel. Für ihn spricht, daß er sich grundsätzlich nicht festlegt. Auch gute Chancen hat der Kandidat der regierenden Colorado-Partei, Jorge Batlle.

Ob er allerdings der Nachfolger des seit 1985 gewählten Staatschefs Julio Sanguinetti wird, ist jedoch fraglich. Immer noch macht ihm eine alte Korruptionsaffäre zu schaffen, und seine Ankündigung, mit den Goldreserven die Auslandsschulden zu begleichen, verschafft ihm nicht nur Freunde. In seinen Fernsehspots werden strahlende Kinderaugen aus dem Off mit der Frage unterlegt: „Wollen Sie, daß dieses Kind von der Schuldenlast erdrückt wird?“

Auch eine Idee von Batlle ist wahrscheinlich ein Werbespot, für den keine Partei gezeichnet hat: „Wer wählt noch in einer Welt des Wandels Marxisten-Leninisten?“ wird zu Bildern der fallenden Berliner Mauer gefragt. Angespielt wird damit auf die „Frente Amplio“, das Linksbündnis aus Kommunisten, Sozialisten und Tupamaros. Von ihr hatten sich die sozialdemokratische PGP mit Hugo Batalla und die Christdemokraten abgespalten und mit der rechten „Bürgerlichen Union“ den „Neuen Raum“ gegründet. Was zunächst als Strategie gegen das Linksbündnis geplant war, geht nun wohl nicht auf: Die zehn Prozent, die die Umfragen dem „Neuen Raum“ voraussagen, stammen eher von den traditionellen Wählern. Die „Frente Amplio“ dagegen wird wohl ihre zwanzig Prozent halten können.

Allerdings macht sich das Linksbündnis Hoffnungen, in Montevideo als stärkste Partei den Bürgermeister zu stellen. Ihr Kandidat ist der Arzt Tabare Vasquez von der sozialistischen Partei. In der Kommunalpolitik sowie im Schul- und Gesundheitswesen will man beweisen, daß man auch zum Regieren imstande ist.

Mit Spannung erwartet wird der Ausgang eines Plebiszits, das zusammen mit den Parlaments- und Gemeindewahlen durchgeführt wird. Innerhalb von wenigen Tagen hatten die Rentner über 400.000 Unterschriften gesammelt, um in einem Volksentscheid die Verfassung ändern zu lassen. In der Magna Charta soll festgeschrieben werden, daß die Renten automatisch mit den Lohnerhöhungen im öffentlichen Dienst mitziehen. Der Colorado-Kandidat Batlle lehnt das ab, weil es die Inflation anheize. Die Frente Amplio und die Nationale Partei haben sich mehrheitlich für die Verfassungsänderung ausgesprochen.