„Neun Kugeln für ein Halleluja“

■ 8.000 Unterschriften für die sofortige Stillegung von Ohu1 / Gutachten des Öko-Instituts: Unkalkulierbare Gefahren durch im Reaktor verbliebene Kugeln / Veraltetes Modell wäre heute ohne Genehmigungschance

München (taz) - „Kein bayerisches Roulette in Ohu!“ Mit der Forderung, das älteste bayerische Atomkraftwerk Ohu1 sofort stillzulegen, haben am Freitag AtomkraftgegnerInnen über 8.000 Unterschriften im Bayerischen Umweltministerium in München übergeben. Zugleich forderte das Landshuter Bürgerforum gegen Atomkraftwerke die Veröffentlichung zweier Gutachten zum sogenannten Kugelstörfall von Ohu, die bislang geheimgehalten werden.

Der Leiter der Abteilung Kernenergie im Umweltministerium, Josef Vogl, lehnte dies mit dem Hinweis auf die Gewerbeordnung ab. „Vog(e)l flieg!“ forderten denn auch die TeilnehmerInnen einer begleitenden Theateraktion. In Strahlenschutzanzügen und mit Transparenten machten sie auf die drohenden Gefahren aufmerksam: „Neun Kugeln für ein Halleluja!“ Die Polizei wertete das Theater als unangemeldete Demonstration und stellte die Personalien der Beteiligten fest.

Die Landshuter Bürgerinitiative hatte die Unterschriftenaktion gestartet, nachdem der Reaktor im Herbst nach der Revision wieder in Betrieb genommen wurde, obwohl nach dem „Kugelstörfall“ eine unbekannte Zahl von in den Reaktor gefallenen Kugellagerkugeln unauffindbar blieb.

Anläßlich der Übergabe der Unterschriften stellte die Bürgerinitiative ein Gutachten des Öko-Instituts Darmstadt über die Sicherheit des Reaktors vor. Der Physiker und Reaktorsicherheitsexperte Lothar Hahn wies dabei auf die unkalkulierbaren Risiken durch den Verbleib der Kugeln im Reaktorinneren hin. Durch die Strömung mitgerissene Kugeln könnten sowohl Brennelemente beschädigen als auch die Funktion der Steuerstäbe beeinträchtigen.

Darüber hinaus übte Hahn grundsätzliche Kritik an den Reaktoren der sogenannten Baulinie '69. Bei diesen veralteten Reaktortypen - einst von der Kraftwerk-Union (KWU) als Sparreaktoren konzipiert - ist seit längerem bekannt, daß Brüche von Frischdampf- und Speisewasserleitungen außerhalb des Sicherheitsbehälters nicht beherrschbar sind. Somit bestehen für Ohu und seine Schwesteranlagen Brunsbüttel, Krümmel und Philippsburg1 Gefahren bis hin zu Kernschmelzen bei offenem Containment.

Diese Gefahr, die ans „Mark der Sicherheit rührt“, werde von der Reaktorsicherheitskommission „gesund gebetet“. Damit werde dieses Gremium „zusehends selbst zum Sicherheitsrisiko“, kritisierte Hahn. Mit der hier angewendeten kostensparenden Bauweise hätten die Reaktoren der Baulinie '69 „nicht die geringste Chance, heute so genehmigt zu werden“. Schon deshalb seien diese Altreaktoren stillzulegen.

karaman