Volkswagen will Trabant-Nachfolger bauen

■ Wolfsburger Angebot für eine gemeinsame GmbH / Weitere Fahndung nach Schalck-Golodkowski / DDR-Plankommission will Aktien an Staatsbetrieben zulassen

Berlin (taz/dpa) - Die Volkswagen AG, der nachgesagt wird, daß sie von den bundesdeutschen Konzernen über die engsten Wirtschaftskontakte zur DDR verfügt, will gemeinsam mit dem Autobauer IFA in Karl-Marx-Stadt einen Nachfolger für den Trabi entwickeln. Dazu, erklärte der stellvertretende VW -Chef Horst Münzner im Norddeutschen Rundfunk, könne eine Planungs-GmbH gegründet werden, an der VW und IFA mit je 50 Prozent beteiligt sind. Die GmbH solle nach bundesdeutschem Recht verfaßt sein. Als Stammkapital nannte Münzner den Betrag von einer Million DM.

Die Gesellschaft soll zunächst die Infrastruktur der DDR -Automobilindustrie untersuchen. Sie wird ihren Sitz in der BRD, wahrscheinlich in Wolfsburg, haben und könne in ein neues Gemeinschaftsunternehmen eingebracht werden, sobald in der DDR die rechtlichen Voraussetzungen für die Beteiligung von Auslandskapital geschaffen seien, ergänzte Firmensprecher Ortwin Witzel. Die DDR-Seite habe „großes Interesse„; es handle sich nicht um ein nur theoretisches Angebot. Noch Anfang November hatte der damalige Minister für Allgemeinen Maschinen-, Landmaschinen- und Fahrzeugbau Gerüchte dementiert, denen zufolge eine Fertigung des VW -Kleinwagens Polo in der DDR vorgesehen sei.

Der Vertrag über 2,5 Milliarden DM zwischen Fiat und der UdSSR über den Bau einer Kleinwagenfabrik, der in der letzten Woche bei Gorbatschows Staatsbesuch in Italien unterzeichnet worden war, habe keine Rolle gespielt, sagte Witzel. VW arbeite schon seit Mitte der 70er Jahre mit Betrieben in der DDR zusammen. Der letzte große Geschäftsabschluß im Wert von etwa 500 Millionen DM datiert aus dem Jahr 1984. Damals wurde vereinbart, daß VW innerhalb von vier Jahre 430.000 Rumpfmotoren mit 1,3 Litern Hubraum aus der DDR bezieht und im Gegenzug eine Motorenstraße mit einer Kapazität von 300.000 Einheiten jährlich an die DDR liefert. Dazu kommen die Fertigungslizenzen für zwei Motoren und 2.200 Transporter, die 1984/85 ausgeliefert worden waren. Die Motorenstraße wurde im August 1988 übergeben. VW -Chef Carl Hahn war am Montag in Karl-Marx-Stadt, um den ersten Rückliefer-Motor in Empfang zu nehmen, und hatte bereits bei dieser Gelegenheit ein Joint-venture vorgeschlagen, ohne aber Arbeitsfelder zu benennen.

Würde sich die IFA oder eine DDR-Wirtschaftsbehörde an der GmbH beteiligen, wäre dies die erste Kapitalinvestition der DDR in der BRD seit Anfang der achtziger Jahre. Zwar verbietet das Gesetz Nr. 53 der Militärregierung, das den innerdeutschen Handel regelt und immer noch gültig ist, solche Investitionen; auf diese Vorschrift haben sich die DDR-Direktoren immer wieder berufen, wenn sie nach möglichen Investitionen in Westdeutschland oder West-Berlin gefragt worden waren. Das Bundeswirtschaftsministerium in Bonn und die Bundesbank in Frankfurt erklärten allerdings auf Nachfrage übereinstimmend, daß bislang immer die vorgesehenen Ausnahmegenehmigungen erteilt worden seien; dies sei auch weiterhin geplant, solange nicht zu befürchten stehe, daß gegen die Cocom-Bestimmungen zur Verhinderung militärtauglicher Einfuhren in die DDR verstoßen würde. Bislang sind gerade ein halbes Dutzend Investitionen genehmigt worden, überwiegend in Vertriebsgesellschaften für DDR-Produkte.

Informierte Kreise, die nicht namentlich genannt werden wollten, wiesen gegenüber der taz darauf hin, daß es sich dabei meist um West-Ableger aus Alexander Schalck -Golodkowskis Wirtschaftsimperium handle. Dazu zählten zwar auch Firmen, die über Holding-Gesellschaften in Liechtenstein, der Schweiz und Luxemburg arbeiten; in Einzelfällen habe sich die DDR aber auch direkte Genehmigungen geholt, zuletzt zu Beginn dieses Jahrzehnts in zwei Fällen. Die halboffizielle politische Lesart für die Zurückhaltung war bislang, daß den Bestimmungen des Gesetzes zufolge die DDR nicht als Ausland betrachtet wird.

Nach dsem SED-Devisenbeschaffer Schalck-Golodkowski wird derweil weiter gefahndet. Das DDR-Außenministerium hat an die europäischen Staaten, Länder des Nahen Ostens sowie Lateinamerikas um Mithilfe und die Einleitung von Fahndungsmaßnahmen gebeten. Die Rechtslage ist allerdings sowohl in der Schweiz als auch in der BRD unklar, weil es keine entsprechenden Abkommen gibt. Falls er in West-Berlin angetroffen würde, drohe ihm die Festnahme wegen Verdachts auf Waffenschmuggel, erklärte Innensenator Erich Pätzold. Schalck-Golodkowski sei zuletzt am Samstag nachmittag, aus Stuttgart kommend, nach West-Berlin eingereist, sagte der Senator vor dem Innenausschuß des Abgeordnetenhauses.

Weiter in Fluß geraten ist derweil die Debatte um die Wirtschaftsreformen in der DDR. An Staatsunternehmen sollen eine „Gewinnbeteiligung durch Obligationen oder Aktien“ und an Privatbetrieben „Kapitalbeteiligungen in Form von Gesellschaften“ gestattet werden. Diese Anhaltspunkte für eine Wirtschaftsreform in der DDR hat die DDR-Plankommission vorgelegt, meldete 'adn‘ am Dienstag. Nach den Vorstellungen der Plankommission soll außerdem jeder Betrieb künftig seine „Mittel zur Reproduktion sowohl in Mark als auch in Valuta selbst erwirtschaften“.

Die Ost-'Berliner Zeitung‘ stellte einen Kommentar zur bisherigen Entrümpelung des Planungssystems unter die Überschrift Von radikal keine Spur. Seit die Änderungen im statistischen Berichtswesen vorlägen, „halten viele Planungsverantwortliche in den Betrieben den Atem wieder an“. Jürgen Lüders, zuständig für Planung in Forschung und Entwicklung im VEB Spezialfahrzeugwerk in Ost-Berlin: „Der gleiche Quatsch wie vorher und fast im gleichen Umfang.“ Von den 80 auszufüllenden Formblättern, mit teilweise jeweils 25 Kennziffern, entfallen „ganze 20“ - die, die ohnehin den wenigsten Aufwand bereiteten.

diba