Kohlehandelsmonopol hält Dublin in Atemnot

Irland nimmt 60 Prozent der schwefelhaltigen polnischen Kohle ab /Krankenhäuser voll  ■  Aus dem Smog Ralf Sotscheck

Vor dem Umweltministerium am Dubliner Hafen steht jeden Samstag eine Gruppe junger Leute, die in Müllsäcke gehüllt sind und Atemschutzmasken vor den Gesichtern tragen. Die Umweltorganisation „Earthwatch“ hat angekündigt, solange zu protestieren, bis die Regierung etwas gegen die verdreckte Luft unternimmt. Smog lastet zur Zeit wie eine Glocke über der irischen Hauptstadt, Inversionswetterlage und Windstille seit zwei Wochen drohen die Hafenstadt zu ersticken - die längste Smogperiode ihrer Geschichte.

Zu 80 Prozent sind die Haushalte für den Smog verantwortlich. Die IrInnen heizen - insbesondere in den ärmeren Vierteln - traditionell mit schwefelhaltiger Kohle. Die fünf Dubliner Meßstationen registrieren täglich Werte, die weit über den von der EG zugelassenen 250 Mikrogramm Schadstoffe pro Kubikmeter Luft liegen. In den Arbeitervierteln Westdublins beträgt der Wert gar das Vierfache. Das St.James's-Krankenhaus für Bronchialerkrankungen ist seit zwei Wochen hoffnungslos überbelegt.

Seit 1982 nach einer Studie 56 Menschen am Smog gestorben sind, hat die Regierung lediglich ein winziges Viertel im Arbeiterbezirk Ballyfermot zur „rauchfreien Zone“ erklärt, in der nur schwefelfreie Kohle verbrannt werden darf. Daß die ganze Stadt zur rauchfreien Zone erklärt wird, ist bisher am Protest des größten Kohleunternehmers, „Coal Distributors Ltd. (CDL)“, gescheitert. Ein Umweltgesetz aus dem Jahr 1987 garantiert das Recht, gegen die Erweiterung der Schutzzonen Einspruch einzulegen. Von diesem Recht macht CDL weidlich Gebrauch. Jeder Einspruch zieht eine langwierige öffentliche Untersuchung nach sich. CDL, ein Kartell der drei umsatzstärksten Kohlehändler Irlands, hat praktisch ein Monopol auf billige, aber schwefelhaltige Kohle aus Polen. 80 Prozent der in Irland verbrannten Kohle kommt aus Polen. Irland ist auf diesem Gebiet der wichtigste Handelspartner Polens: 60 Prozent der polnischen Exporte gehen auf die „grüne Insel“. Dank dieser guten Verhandlungsposition kann CDL den Verkaufspreis nahezu beliebig senken und Konkurrenten ruinieren. Andrej Olschowski, der polnische Zwischenhändler in London, streitet eine Wettbewerbsverzerrung jedoch ab. „Es gibt einfach nicht genug Kohle in Polen, um auch andere irische Händler zu beliefern“, sagt er. Als ein Konkurrent CDLs Anfang der achtziger Jahre vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Monopolstellung klagte, senkte CDL seine Preise und trieb den Kläger noch vor der Verhandlung in die Pleite.

Bei schwefelfreier Kohle hat CDL keinen Marktvorteil. Falls ganz Dublin zur „rauchfreien Zone“ erklärt werden sollte, würde deshalb ein Konkurrenzkampf ausbrechen, den CDL verhindern will. Der 50-Kilo-Sack schwefelfreie Kohle kostet bei CDL zehn Mark mehr als normale Kohle. Vor einer Woche senkte das Unternehmen den Preis schließlich um drei Mark. Mervyn Tailor, der Vorsitzende der irischen Labour Party, nannte das einen „zynischen Werbetrick“. Taylor und andere oppositionelle Politiker fordern den Rücktritt des Umweltministers Padraig Flynn, der ein Verbot schwefelhaltiger Kohle erst für 1993 ins Auge gefaßt hat. Meteorologen erwarten ab heute einen kräftigen Südostwind. Ein Sprecher von „Earthwatch“ sagte jedoch: „Wir bleiben vor dem Ministerium stehen, bis die Regierung etwas tut.“