Starke und schräge Töne

■ Vier Jahre DACAPO / Am Samstag feierte man mit Kerzenlicht, Rotwein und Pannen

Dabei hatte alles so schön angefangen: Kerzenlicht, Rotwein und versprochene Klavierklänge. Ein sinniges Fest für die beiden Geburtstagskinder Beethoven und Dacapo sollte es werden. Ingo Ahmels, Vater des letzteren, ließ es sich bei der Gelegenheit nicht nehmen, die Mauser seines nunmehr vierjährigen Sprosses mit Wortwitz zu beschreiben: Im tiefsten Walle war 1985 die Idee geboren worden, in Bremen ein Podium für Klassik, Neue Musik und „guten Jazz“ zu schaffen. Als Ort wurde das „Havanna“, eine Kneipe, erkoren, in der auch schon bald die „Hammerklaviersonate“ ertönte. Das Publikum rief „Dacapo“, und Initiator Ingo

Ahmels sah sich nach ruhigeren Räumlichkeiten um.Weil inmitten von Zapfhahn und Espresso-Maschine zu viele andere Töne erschallten. Also landete Dacapo im Bürgerhaus Weserterrassen, nun mit dem 164. Konzert.

Die Geburtstagsüberraschung gab es gleich zu Beginn: Der Hamburger Pianist und Dirigent Johannes Harneit saß nicht, wie angekündigt, am Flügel, sondern lag krank auf seiner Matratze darnieder. Statt 45 Minuten „Triadic Memories“ von Morton Feldman gabs also nur eine Videoaufzeichnung. Wenigstens störte es nicht den Musiker, daß die Geburtstagsgäste erst nach und nach hereinkleckerten (außer Bremens designiertem Kultursenator Hennig Scherf war nämlich fast niemand rechtzeitig da). Mucksmäuschenstill wurde es aber, als plötzlich - wie von Geisterhand - Beethovens „Mondschein-Sonate“ erklang. Die Töne kamen eindeutig vom Klavier - an dem saß aber doch niemand. Das Rätsel löste sich: Die Digital-Anzeige des Klavierautomaten blinkte verräterisch. Lebendig los gings dann aber mit der Bremer Gruppe HÄRTZ, die Kurt Schwitters „Ursonate“ aufführte. Die Eigenwilligkeit und Perfektion, mit der

die Gruppe „böverözo-u“ und „d-desurrrrr“ gurrte, deklamierte und sirente, war Artikulations-Akrobatik vom Feinsten.

Umso krasser der Gegensatz zum nächsten Vortrag. Ein Waller Damen-Duo versuchte sich im Klavier-und Tubaspiel. War noch die Instrumentierung originell, gleitete die Interpretation der Zarah-Leander-Kamelle „La Habanera“ doch eher in Gänsehaut- Regionen. Das Publikum applaudierte trotzdem, mutig war es allemal. Bevor zu Abschluß noch Dacapo-Highlights gezeigt wurden, gabs „Entre-Acte“. Dieser Kurzfilm von Picabia, unter Mitwirkung solcher Legenden wie Man Ray und Eric Satie, hat auch nach 65 Jahren nichts von seinem abgefahren -experimentellen Charakter verloren. Dacapo, Dacapo! Elke Webe