Kleine Schritte aus der Krise der Grünen

Der Bundeshauptausschuß der Öko-Partei plädiert für die Neuwahl des dreiköpfigen Sprechergremiums als Konsequenz aus dem Geburtstagseklat / Kritik von der Basis an Führungsquerelen / Uneinigkeit über Wahlkampfaussagen zur Deutschlandpolitik und zur Nato  ■  Von Gerd Nowakowski

Bonn(taz) - Die drei Sprecher und die Hälfte des elfköpfigen Bundesvorstands der Grünen sollen auf dem Parteitag im Juni neu gewählt werden. Mit diesem Beschluß zog der Bundeshauptausschuß (BHA), das höchste Gremium zwischen den Parteitagen, die Konsequenz aus dem Zerrüttungszustand in der Parteiführung. Die Sprecherinnen Ruth Hammerbacher und Verena Krieger wurden für den Eklat zum Geburtstag der Grünen gerügt. Die Vertreter der Landesverbände folgten am Wochenende in Bonn nach einer heftigen Debatte allerdings nicht der Forderung des Parteisprechers Ralf Fücks, den gesamten Vorstand bereits auf dem Programmparteitag im März neu zu wählen.

Ralf Fücks vom „Grünen Aufbruch“ hatte für seinen Vorschlag auch die Unterstützung der realpolitischen Vertreterin im Sprechergremium, Ruth Hammerbacher, erhalten. Fücks glaubt, daß der Vorstand in seiner derzeitigen Zusammensetzung „die Hoffnung auf einen Neuanfang jenseits des alten Strömungsstreits nicht einlösen kann“. Im elfköpfigen Gremium herrsche „offene Feindseligkeit“. Fücks, der wie Frau Hammerbacher die Linken im Bundesvorstand für diese Blockierung verantwortlich macht, fordert eine Parteireform, eine erneute „Korrektur“ des Rotationsprinzips und mehr Zuarbeitskräfte für die Vorstandsmitglieder. Derzeit sei nur „politische Handwerkelei“ möglich. Ruth Hammerbacher beklagt als „grundlegenden Konstruktionsfehler“, daß die von der Basis gewählte Mehrheit von Realos und Aufbruch im Sprechergremium durch die linke Mehrheit bei den Beisitzern konterkariert werde.

Mit ihrer „Leichenrede“ zur Zehnjahresfeier der Partei habe Verena Krieger eine „Linie überschritten, die nicht mehr tolerierbar“ sei, erklärte Fücks. Sie lasse mit sich reden, ob sie ihre Kritik an der Partei am „richtigen Ort und zur richtigen Zeit“ vorgetragen habe, stehe aber zu ihrer Aussage, entgegnete die Parteilinke Verena Krieger. Nicht die von allen Lagern geteilte Zustandsbeschreibung der Partei, sei der Grund für die Aufregung, sondern daß sie „andere Ursachen für den desolaten Zustand benenne“. Frau Krieger machte die Realos und den Aufbruch für die „Verbürgerlichung“ der Partei verantwortlich und warf ihnen vor, sie betrieben eine „Eskalationsstrategie“ zur „Vertreibung der Linken“.

Der „strömungspolitische Pingpong“, dessen Ursache die NRW -Delegierte Annette Meyer insbesondere bei den Linken ausmachte, sei ein „Mißbrauch der Menschen, die in der Partei für eine andere Welt arbeiten“. Frau Meyer, die für ihren Beitrag viel Beifall erhielt, beklagte das „Schubladendenken“ und das Beharren auf „letzte Wahrheiten“. In den Kommunen werde durch den „Mist von oben“ alles kaputtgemacht, wofür die Basis „wie blöd“ arbeite. Dafür müsse man sich dann noch als „Karnickelzüchterverein“ (Krieger) abqualifizieren lassen.

Zuvor hatte der BHA in gereizter Stimmung über finanzielle Hilfe für Gruppen in der DDR beraten. Der von den Realos unterstützte Vorschlag, der grünen Partei in der DDR 100.000 Mark zukommen zu lassen, wurde knapp abgelehnt. Jeweils zur Hälfte soll das Geld nun an die DDR-Grünen und an einen von der Berliner AL eingerichteten Vergabeausschuß gehen. Kern der Auseinandersetzung ist der Vorwurf, die Alternative Liste unterstütze fast ausschließlich die Gruppierung „Vereinigte Linke“.

Ohne inhaltliche Debatte beschäftigte sich der kleine Parteitag mit dem Programmentwurf für den Bundestagswahlkampf, der auf dem Parteitag im März abgestimmt werden soll. In der Programmkommission war es zu heftigen Auseinandersetzungen gekommen, die sich in zahlreichen Alternativpositionen der Minderheit aus Realos und „Aufbruch“ niederschlagen. Differenzen gibt es unter anderem bei der Deutschlandpolitik, wo alle eine Wiedervereinigung ablehnen, die Minderheitsfraktion aber hinzufügt, darüber müßten die DDR-Bürger in freier Selbstbestimmung entscheiden. Uneins ist man sich auch über einseitige Abrüstungsschritte und die Frage des Nato -Austritts.