Eine Präsidentin - erstmals nach 522 Jahren

■ Die 53jährige Richterin Gisela Knobloch wurde von Justizsenatorin Limbach als Präsidentin des Kammergerichts vorgeschlagen und sagt im Gespräch mit der taz: „Warum ich ins Spiel gebracht wurde, weiß ich nicht“

Die Richterin Gisela Knobloch (53) soll am 1.März Präsidentin des Kammergerichts und damit Nachfolgerin von Diether Dehnicke werden, der nach 14 Dienstjahren in den Ruhestand geht. Mit Gisela Knobloch, die seit 1988 Vorsitzende Richterin des 25.Zivilsenats am Kammergericht ist, soll das seit 1468 bestehende Kammergericht erstmals von einer Frau geleitet. Die Wahl zur Präsidentin steht am 22. Februar im Abgeordentenhaus auf der Tagesordnung.

taz: Frau Knobloch, nach 522 Jahren soll das Kammergericht erstmals eine Präsidentin bekommen. Zeit wurde es. Warum glauben Sie, kommen ausgerechnet Sie zu dieser Ehre?

Gisela Knobloch: Ach du großer Gott, das kann ich Ihnen nicht beantworten, wie ich zu dieser Ehre komme. Weil Frau Limbach mich vorgeschlagen hat, aber warum ich ins Spiel gebracht worden bin, weiß ich nicht (lacht). Ich kann wirklich nicht von mir behaupten, ich bin die Größte und die Beste.

Sind Sie eine Freundin von Frau Limbach, oder kennen Sie sie aus der Studienzeit?

Nein. Wir haben ein einziges Mal zusammen geprüft, als sie hier als Professorin nebenamtliche Prüferin war. Ich war sechs Jahre hauptamtliche Prüferin. Außerdem haben wir uns im Richterwahlausschuß gesehen, dem sie ja jetzt als Senatorin vorsitzt. Privat haben wir überhaupt keinen Kontakt.

Stehen Sie der AL und SPD nahe?

Ich bin in keiner Partei.

Sie werden ja nicht dem konservativen Lager zugeordnet. Können Sie zu Ihrer politischen Haltung ein paar Worte sagen?

Ein Richter muß doch unabhängig sein (lacht). Natürlich habe ich einen politischen Standpunkt, aber damit möchte ich nicht an die Öffentlichkeit gehen.

Über wieviele Richter und Richterinnen am Kammergericht werden Sie in Zukunft schalten und walten?

Ich kann das nicht auf die Zahl genau sagen, aber wir sind ungefähr 120 Richter.

Wieviele Frauen sind darunter?

Am Kammergericht sind im Moment 13 Prozent der Richter Frauen, und von den Vorsitzenden Richtern 10 Prozent. In der ganzen ordentlichen Gerichtsbarkeit sind es ungefähr 29 Prozent.

Das Kammergericht hat ja nicht von ungefähr den Ruf, ein alter konservativer Richterhaufen zu sein. Glauben Sie, daß Sie mit den alten Herren fertig werden, sprich sich bei denen durchsetzen können?

Es sind nicht alles alte Herren, sondern auch junge, und sie sind bestimmt nicht alle konservativ. Außerdem habe ich auf die Rechtssprechung sowieso keinerlei Einfluß, weder will ich es, noch kann ich es. Ich habe nur Einfluß bei der Leitung des Gerichts. Ich hoffe, daß ich mich da durchsetzten kann.

Was haben Sie vor? Wird unter Ihrer Regie im Kammergericht ein frischer Wind wehen?

Was ich vorhabe und machen will, dazu möchte ich mich jetzt, wo ich noch nicht einmal gewählt bin, noch nicht äußern. Einige Probleme sind ja nicht neu, zum Beispiel die Platzprobleme im Gebäude. Wir sitzen zum Teil in Kellerräumen, da muß etwas passieren. Darum werde ich mich auf jeden Fall kümmern.

Erst kürzlich machte das Kammergericht wieder von sich reden, als der Kammerrichter Egbert Weiß die provisorische Gedenktafel für die Opfer des Reichskriegsgerichts zertrümmern ließ. Würden Sie so einen Vandalismus ebenso stillschweigend dulden wie der jetzige Präsident Dehnicke? Jener meint ja, daß Weiß‘ Verhalten weder strafrechtlich noch disziplinarisch zu ahnden sei.

Sie stellen wirklich sehr schwierige Fragen. Ich kenne Herrn Weiß gar nicht und habe auch nie gehört, was er selbst dazu geäußert hat. Ich kann also überhaupt kein Urteil über sein Verhalten abgegeben. Über die Tat selbst war ich persönlich entsetzt. Soviel ich weiß, laufen im Moment noch die strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihn und das Disziplinarverfahren ist ausgesetzt.

Werden Sie sich dieser Angelegenheit noch einmal annehmen?

Wenn das Dizipinarverfahren bis dahin nicht abgeschlossen ist, werde ich das müssen.

Der Senat will ja eine Forschungsstelle über die NS -Justiz einrichten. Wollen Sie die Arbeit unterstützen?

Soweit das Kammergericht betroffen ist, natürlich. Aber ich habe im Moment nicht viel Vorstellungen was da gemacht werden soll.

Interview: Plutonia Plarre