Big Four auf dem Weg nach drüben

■ Die vier Medienriesen Springer, Burda, Bauer und Gruner&Jahr wollen in der DDR ein eigenes Vertriebsnetz aufbauen / Andere bundesdeutsche Verlage fühlen sich ausgebootet

Berlin (taz/dpa) - Ein Feuerwerk von Vorwürfen ist jüngst auf die vier Verlage Springer, Bauer, Burda sowie Gruner und Jahr niedergegangen. Ihre Absicht, sich als Grossisten im Pressevertrieb der DDR zu etablieren, würde dort ein „großverlagsabhängiges Vertriebssystem“ entstehen lassen, schimpften unter anderem der Spiegel-, Gong- und Hoffmann &Campe-Verlag in einer gemeinsamen Erklärung. Anlaß für die empörte Reaktion: dem DDR-Ministerrat lag gestern ein Lizenzvergabe-Entwurf des Postgeneraldirektors zur Beschlußfassung vor, das Ergebnis von „Geheimverhandlungen“ zwischen Post und dem Vierer-Konsortium, wie die Erklärung ankreidet.

Sollte das Projekt Realität werden, heißt es in der Erklärung weiter, sei der freie Vertrieb aller mittelständischen Verlage „eklatant behindert und die neue, für die weitere Entwicklung der Meinungsvielfalt in der DDR schon im Ansatz eingeschränkt“. Die angegriffenen BRD -Medienriesen unterdes fühlen sich bewußt unverstanden, sehen darin eine „gezielte Fehlinterpretation“. Ihr Anliegen diene insbesondere dazu - und das klingt recht selbstlos -, noch vor dem vorgezogenen DDR-Wahlen der Bevölkerung westliche Presse zugänglich zu machen. Zudem solle das angestrebte Vetriebssystem nach den hierzulande bewährten Prinzipien wie freiem Zugang für alle, Neutralität und Verkäuflichkeit arbeiten.

Allerdings wäre der Aufbau einer entsprechenden Vertriebsinfrastruktur - zumindest vorübergehend - ein Zuschußgeschäft. „Gewaltige Investionen von mehreren hundert Millionen Mark“, so der Gruner-und-Jahr-Pressesprecher gegenüber der taz, seien hierfür vonnöten. Bislang ist in der DDR allein die Post für den Zeitungs- und Zeitschriftenvertrieb zuständig. Und das System der Zustellungskanäle ist verglichen mit der stets überlegenen BRD kümmerlich: Über 213 sogenannte zentrale Stützpunkte werden republikweit etwa 1.700 posteigene Kioske und 400 private Zeitungshäuschen beliefert. Im Vergleich: in der BRD existieren 90.000 Verkaufsstellen. Da müßte einiges hinzugebaut werden, und genau das hat denn auch der „Vierer -Club“ im Sinn.

Für den Fall einer postiven Entscheidung der DDR-Regierung, hätten die Big Four quasi per Exklusivvertrag die Absatzkanäle für sämtliche Printmedien in der DDR in der Hand, auch wenn sie erklärtermaßen durch ihr Oligopol nicht die Konkurrenz ausschließen, sondern mit vertreiben wollen (und ganz nebenbei deren Marktzugang kontrollieren). Die Handelsspannen aus dem Geschäft in einer DM-Zukunft werden natürlich den eigenen Häusern als Gewinn zufließen. Kein Wunder, daß der Spiegel-Verlag ob dieses Konkurrenzvorteils getroffen aufschreit. Auch er muß begreifen, was jetzt im Umgang mit der DDR gilt: „Deal now - cash later“.

asw