Brennt bei Glühlampen die Solidarität durch?

Zwischen den Westberliner Osram-Werken und dem Ostberliner Kombinat Narva existiert auf Anregung der IG Metall eine Betriebspartnerschaft / Die Firmenspitzen beraten über eine Kooperation, die auf beiden Seiten zu Arbeitsplatzverlusten führen könnte / Gedeiht unter solchen Konkurrenzbedingungen gewerkschaftliche Solidarität?  ■  Von Gabriele Sterkel

„Unsere Werksleitungen verhandeln schon seit Wochen“, erklärt Arno Feige, Betriebsrat von Osram in West-Berlin, vor einer Vertrauensleuteversammlung beim Narva-Kombinat im Ostteil der Stadt. „Sie treffen hektisch Vorbereitungen für eine Zusammenarbeit - da ist es höchste Zeit für uns Gewerkschafter, ebenfalls eine gemeinsame Strategie zu entwickeln.“ Er fügt noch höflich hinzu: „Wir Westler wollen aber in diesem Prozeß nicht die Oberlehrer spielen.“

Die IG-Metall-Kollegen der Osram GmbH Berlin-Spandau und des Berliner Glühlampenwerks BGW im Narva-Kombinat in Berlin -Friedrichshain haben vor kurzem eine Betriebspartnerschaft gegründet. Der West-Betriebsrat appelliert an die versammelten 300 Ost-Kollegen, für starke Einheitsgewerkschaften zu kämpfen, die betrieblichen Gewerkschaftsstrukturen, das herkömmliche Arbeitsgesetzbuch zu erhalten und das geplante Gewerkschaftsgesetz durchzusetzen. „Laßt euch nicht unsere Strukturen aufoktroyieren!“ Das Betriebsverfassungsgesetz könne kein Vorbild sein, sei es doch den Gewerkschaften von einer konservativen Regierung aufs Auge gedrückt worden. „Bei uns wäre das nicht möglich, daß das Fernsehen auf die Betriebsversammlung kommt“, sagt Feige in die Ost-Kamera, „bei uns macht die Demokratie am Werkstor halt.“ Er erntet freundlichen Beifall.

Gewerkschaftliche Entwicklungshilfe

Die Ost-Gewerkschafter sind dankbar für die deutlichen Worte aus dem Westen. „Wenn wir hier erzählen, daß starke Gewerkschaften notwendig sind, glaubt uns keiner mehr.“ Die Akzeptanz der Gewerkschaften in der Belegschaft ist ungeheuer niedrig. Zu lange waren sie in der DDR Transmissionsriemen für die Parteipolitik und Ort der Ferienplatzverwaltung. „Propheten im eigenen Lande gelten nichts“, verdeutlichen die Ost-Metaller den Kollegen aus dem Westen ihre mißliche Lage. „Ihr könnt hier eine Massenbasis schaffen - das ist wie mit Brandt und Kohl in der Politik.“

Der Grundstein für Betriebspartnerschaften wurde bereits im vergangenen Dezember gelegt. Damals vereinbarten die IG -Metall-Zentralen in Ost und West in einem „Sofortprogramm“, die Kontakte auch auf betrieblicher Ebene zu intensivieren und zunächst zwischen jeweils 30 ausgewählten Betrieben eine gewerkschaftliche Zusammenarbeit einzuleiten. Die Ost -Gewerkschafter versprechen sich von solchen Betriebspartnerschaften Hilfestellung bei der Bewältigung der gänzlich neuen Aufgaben, vor die sie mit dem Einzug des westlichen Kapitals gestellt werden. Die Kollegen im Westen wollen damit verhindern, daß „ihre“ Unternehmer in der DDR auf schwache und unerfahrene Gewerkschaften treffen, die es ihnen erleichtern würden, die DDR als Billiglohnland auszubeuten und gleichzeitig Druck auf die Löhne und Arbeitsbedingungen in der BRD auszuüben.

Wärmt Osram alte Besitzansprüche auf?

Osram und Narva sind unter den auserwählten Partnerbetrieben, weil hier die Direktoren schon seit mindestens Dezember über eine Zusammenarbeit verhandeln. Ob dabei an ein Joint-venture gedacht wird oder ob die Osram GmbH gar Besitzansprüche auf ihren ehemaligen Stammbetrieb geltend machen wird, ist allerdings in keinem der beiden Betriebe zu erfahren. Die Unternehmensleitung von Osram verweist auf die noch unsicheren Verhältnisse in der DDR, bei Narva wird lediglich eingeräumt, daß man Mittel für Investitionen brauche.

Um so heftiger schießen Vermutungen und Spekulationen unter den betroffenen ArbeitnehmerInnen ins Kraut. Auf beiden Seiten der Grenze wächst die Angst, daß Arbeitsplätze verlorengehen könnten. Im Osten geht das Gerücht um, es würden 2.000 Beschäftigte entlassen. Im Westen wird befürchtet, daß die Massenproduktion billiger Gebrauchsglühlampen in die DDR verlagert werden könnte. Eine Spezialisierung der Produktion auf hochwertige Speziallampen im Westen und Billigprodukte im Osten wird von den Gewerkschaftern nicht nur wegen der dann anstehenden Entlassungen abgelehnt, sondern auch, weil Narva damit vor allem qualifizierte Arbeitsplätze, eigenes Entwicklungs- und Innovationspotential verlieren würde und so zur verlängerten Werkbank von Osram verkäme. Die Beschäftigten von Narva befürchten einen „Ausverkauf an die Osram-Kapitalisten zu miserablen Bedingungen“, denn sie mißtrauen ihrer Werksleitung.

Solche Befürchtungen haben nicht unerheblich dazu beigetragen, daß die Betriebspartnerschaft so flott in die Gänge kam. Angefangen hat die Geschichte mit einem Besuch vom Kollegen Vorsitzenden der betrieblichen Gewerkschaftsleitung von Narva und seinem Bezirkssekretär beide seit Jahren unbehelligt im Amt - beim Betriebsrat von Osram. Man tauschte Höflichkeiten aus und auch ein paar Informationen über die jeweiligen rechtlichen Grundlagen der betrieblichen Interessenvertretung. Die Kollegen aus dem Osten verwiesen auf ihre sozialen Errungenschaften: fünf Küchen, sieben Kantinen, eine eigene Poliklinik mit 18 Ärzten, 1.137 Bettenplätze in FDGB-Heimen, 2.500 Plätze in Betriebsferienheimen, 623 betriebseigene Kindertagesplätze.

Die Liste war lang, das alles muß verwaltet sein. „Und da werfen uns die Leute vor, wir hätten nichts getan“, beklagt sich der Vorsitzende der Betrieblichen Gewerkschaftsleitung (BGL) bitter und moniert, daß sich bei Narva inzwischen eine „Gruppe von Gewerkschaftsfeinden“ gebildet habe, „so was wie ein Betriebsrat“, und daß die alte BGL wohl keine Chance hätte, jetzt wiedergewählt zu werden.

Bewunderung für

Ordnung und Sauberkeit

Was die Kollegen von drüben bei der Besichtigung des Osram -Werkes am meisten beeindruckt zu haben schien, war die westliche Ordnung und Sauberkeit. Die Gegeneinladung auszusprechen war ihnen fast peinlich: „Wir schämen uns ein bißchen und bitten um Verständnis, aber bei uns fehlt es an Reinigungspersonal.“

Dabei gibt es zwischen den beiden Betrieben Unterschiede und Gemeinsamkeiten, die entschieden gravierender sind. Osram und Narva produzieren gleichermaßen „Gebrauchsglühlampen und Speziallampen aller Art“. Beide produzieren vorwiegend im Dreischichtbetrieb, 80 Prozent der Arbeitsplätze in der Produktion sind unqualifizierte Tätigkeiten, 50 Prozent der Beschäftigten sind Frauen, und bei beiden ist der Anteil ausländischer Arbeitskräfte verhältnismäßig hoch. Die Angestellten sind allerdings recht unterschiedlich vertreten: Im Westen bescheidet man sich bei 1.800 Beschäftigten mit 300 Angestellten - im Osten sind von 5.000 Beschäftigten genau die Hälfte Angestellte.

Dies ist nicht der einzige Unterschied. Während das Werk in Berlin-Spandau dem florierenden internationalen Osram -Konzern angehört, der in den letzten vier Jahren in der Bundesrepublik erhebliche Umsatzsteigerungen verbuchen konnte und zwischen 1972 und 1989 die Beschäftigtenzahl um die Hälfte reduziert hat, ist der VEB Berliner Glühlampenwerk in einer ökonomischen Situation, die zwar nicht hoffnungslos, aber ernst ist. Die Auftragslage sei gut, sagt der Werksdirektor, man habe für 16 Millionen Mark mehr Aufträge an Land ziehen können als im Vorjahr, aber es fehle an Mitteln, die laufenden Kredite zurückzuzahlen. Die Beschäftigtenzahl ist seit 1972 nahezu unverändert.

Während bei Osram in freundlichen, geräumigen Neubauten ebenerdig produziert wird, arbeitet man bei Narva in alten Backsteingemäuern auf mehreren Etagen in viel zu engen Räumen - überall steht Material im Weg, es fehlt an Lagerplatz, und das Transportsystem ist umständlich. Gestank, Lärm und Hitze sind in der Halle mit der Glühlampenproduktion hüben wie drüben etwa gleich unerträglich. Dabei bringen es die Westler aber auf 5.000 Lampen Output pro Stunde, die DDRler liegen mit 3.000 Stück weit zurück, obwohl auch sie mit modernen japanischen Produktionslinien arbeiten. Der Grund für die geringere Produktivität liegt zum einen darin, daß die Japaner keine Ersatzteile liefern - die müssen mühsam selber gebastelt werden; und zum anderen darin, daß das Material häufig im Produktionsprozeß kaputtgeht und die Linie damit zum Stillstand bringt.

Heftiges Mißtrauen

gegen die Betriebsleitung

Dennoch ist bei Narva wenigstens die Glühlampenproduktion auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig. Der technologische Stand der Speziallampenproduktion ist kaum zu vergleichen: Was bei Osram zum Teil von Robotern, in jedem Fall aber mit sehr modernen Maschinen erledigt wird, wird bei Narva noch in Handarbeit gebastelt. Nach dem Urteil der Westler „vorsintflutlich“.

Bei Narva wird sich vieles ändern müssen. Das sieht jeder ein. Und deshalb haben die KollegInnen Angst um ihre Arbeitsplätze. Wenn der Werksdirektor auf der Vertrauensleuteversammlung verkündet, daß sechs Millionen Mark Lohnkosten eingespart werden müssen, gleichzeitig aber beteuert, daß niemand entlassen werde, nimmt ihm das niemand ab. „Jeder Gang des Direktors zu Osram fördert das Mißtrauen“, sagt ein Arbeiter auf der Versammlung. Die Ost -Kollegen halten die eigene Werksleitung nicht unbedingt für so kompetent und standhaft, daß sie in den Verhandlungen das Optimale „für uns“ rausholt.

Vielleicht wären solche Befürchtungen weniger dramatisch, hätte es von Anfang an eine tatkräftige Interessenvertretung der Werktätigen gegeben, die den Direktoren gebührend auf die Finger schaute. Die herkömmliche Institution, die BGL, hat sich „um Kinkerlitzchen“ gekümmert, während die Kollegen vergeblich eine Offenlegung des ökonomischen Zustandes und der Zukunftspläne des Betriebes forderten. Deshalb wählten die Beschäftigten bei Narva Leute, die ihnen glaubwürdiger und sachkundiger erschienen. Die bildeten dann ein Gremium neben der BGL, den „Gesellschaftlichen Rat“.

„Die Idee stammt eigentlich von Stefan Heym“, erzählt einer von denen, die den Prozeß der Erneuerung vorangetrieben haben, „ich habe in meiner Verzweiflung darüber, daß möglicherweise unser Betrieb verhökert wird, ohne daß die Interessen der Beschäftigten berücksichtigt werden und die Gewerkschaft dabei tatenlos zusieht, diesen Schriftsteller eingeladen.“ Stefan Heym kam und hat mit der Belegschaft diskutiert. Er hat sie darin bekräftigt, daß das Volkseigentum ja schließlich nicht den Direktoren gehört und diese somit nicht allein darüber verfügen können. Daraufhin wurde beschlossen, für eine Übergangszeit von zwei Jahren einen Rat zu wählen. Der sollte von der ganzen Belegschaft legitimiert sein.

Flugblätter

heimlich abgerissen

Im rechten Augenblick hat auch die Werksleitung noch ihre Sympathie für diese Idee bekundet. Narva-Generaldirektor Wulf: „Die vielen Gedanken, Vorschläge und Hinweise der Werktätigen unseres Betriebes dürfen nicht verlorengehen. Als Generaldirektor bin ich auf die Mitarbeit und Kontrolle des Kollektivs angewiesen.“ Gewählt wurden fast ausschließlich Angestellte mit Hochschulabschluß - viele davon in mittleren Leitungsfunktionen. Als der Rat sich allerdings „Betriebsrat“ nennen wollte, gab es heftige Proteste in der Belegschaft - man wollte keine Affinität zum westlichen Modell der Arbeitsbeziehungen.

So entschied man sich für den Begriff Gesellschaftlicher Rat. Seine Mitglieder sind alle zwischen zehn und dreißig Jahre im Betrieb. Ihr Engagement ist getragen von der Sorge um die Zukunft „ihres“ Betriebes und von Skepsis gegenüber den Machenschaften einer Leitung, für deren Berufung einst vorwiegend politische und nicht fachliche Kriterien ausschlaggebend waren. Ziel ist zu verhindern, daß „diese Leute“ auf Kosten der Kollegen ihr eigenes Fell retten. „Unsere Leute sind in der Lage, uns in Grund und Boden zu wirtschaften. Auch wir sind Eigentümer des Betriebs. Deshalb wollen wir bei der Umstrukturierung mitbestimmen.“ Dieser Gesellschaftliche Rat hat sich, nach eigenen Angaben, nie als gegen die Gewerkschaft gerichtet verstanden und sogar die Zusammenarbeit mit ihr gesucht. Die alte BGL aber ging auf Konfrontationskurs, hat gegen „die Intellektuellen“ polemisiert, ihre Flugblätter heimlich vom Schwarzen Brett gerissen und jegliches Gespräch verweigert.

Von der Werksleitung wurde der Rat angeblich von Anfang an respektiert. Auch ohne gesetzliche Grundlage, allein mit der Solidarität der Belegschaft im Rücken und mit einiger Hartnäckigkeit konnten die neuen Interessenvertreter ihre Direktoren zu Verhandlungen bewegen. „Wir haben mitangehört, mitgeredet - aber mitbestimmt haben wir nicht“, resümiert ein Mitglied unzufrieden das vorläufige Ergebnis.

Brisante Enthüllungen

Trotzdem ist es dem Rat gelungen, brisante Enthüllungen zu machen: beispielsweise, daß seit November eine ganze Reihe Genossen aus Partei- und Staatsapparat bei Narva „zu astronomischen Gehältern“ eingestellt worden ist. Der BGL ist das verborgen geblieben. Der Gesellschaftliche Rat sei nicht dagegen, daß diese Leute Arbeit finden, so ein Sprecher, aber eben nicht in leitenden Funktionen, wo der „Wasserkopf bei Narva ja sowieso schon viel zu groß ist“.

Nur einem glücklichen Zufall war es zu verdanken, daß die West-Metaller von Osram bei ihrem Besuch im Narva-Werk auch mit dem Gesellschaftlichen Rat Bekanntschaft machten. Offensichtlich waren manchem West-Betriebsrat diese Leute doch ein bißchen suspekt. Schon deshalb, weil man traditionell als Arbeiter - und der überwiegende Teil der Osram-Betriebsräte sind Arbeiter - stets ein gewisses Mißtrauen gegenüber den Angestellten hegt: Fehlt's dem Angestellten doch am kollektiven Bewußtsein, neigt er nicht sogar dazu, vom Kapital erst einmal so richtig verführt, schnell zur Gegenseite überzulaufen? So deutlich hat das natürlich keiner gesagt, nur: „Bei uns sind die Angestellten kaum in der Gewerkschaft, denn ein Gewerkschafter kann keine berufliche Karriere machen.“

„Wir suchen erst mal die offiziellen Ansprechpartner, und das ist die BGL“, rechtfertigt der Kollege von der West-IG -Metall die Reserve. Außerdem sei man eben vorsichtig, wenn sich neben den Gewerkschaften im Betrieb noch andere Gruppen bilden, damit habe man im Westen schlechte Erfahrungen gemacht. Worauf die Kollegen vom Gesellschaftlichen Rat betonen, daß sie auch Gewerkschaftsmitglieder seien: „Ihr habt eine falsche Meinung von uns. Wir sind zur Konfrontation gezwungen worden!“

Der alte BGL-Vorsitzende, der das Gespräch dirigiert, will abwiegeln, aber da platzt den „Renegaten„-Kollegen der Kragen: „Wir sprechen, wenn Besuch da ist, nicht gern über Familienangelegenheiten“, aber es sei das erste Mal, daß sie mit ihrer Gewerkschaft an einem Tisch sitzen, und jetzt wollen sie den Kollegen aus dem Westen erklären, „was Sache ist, daß nämlich die Gewerkschaft hier die ganzen Jahre über nichts getan hat - und schon gar nichts in den letzten Monaten, wo es so bitter nötig gewesen wäre“. Nicht Höflichkeit sei angesagt, sondern das offene Gespräch.

„Ich würde an eurer Stelle rein in die BGL und drin meine Positionen vertreten“, empfiehlt der Betriebsrat Arno Feige aus West-Berlin. Die Westler warnen vor einer geteilten Interessenvertretung im Betrieb. Bald sind sich alle einig, daß eine betriebliche Interessenvertretung allein nicht viel erreichen kann - daß starke Gewerkschaften notwendig sind. Bei der Belegschaft von Narva allerdings seien die Gewerkschaften derart in Mißkredit geraten, daß sich niemand so recht für die BGL zur Wahl stellen will. Weil die West -Gewerkschaften einfach glaubwürdiger seien, fordert man Argumentationshilfe aus dem Westen an. Der Betriebsratsvorsitzende aus Berlin-Spandau verspricht, auf der Vertrauensleuteversammlung in Friedrichshain zu sprechen.

Die Diskussion in Ost-Berlin war für die West -Gewerkschafter ein voller Erfolg. Wenige Tage später teilt der Gesellschaftliche Rat von Narva mit, daß seine Mitglieder nun doch für die BGL kandidieren würden. Die Vertrauensleuteversammlung findet statt, die alte BGL tritt zurück. Bis zur Neuwahl in wenigen Wochen wird ein geschäftsführender Ausschuß gewählt, der sich überwiegend aus Mitarbeitern des Gesellschaftlichen Rats zusammensetzt. Als erste Amtshandlung wird der Werksleitung ein Forderungspapier überreicht: Man will die „Teilhabe“ an Leitungsgesprächen auf allen Ebenen, bei der Konzeption von Umstrukturierungen sowie bei den Verhandlungen mit Osram und anderen West-Firmen. Sollten die Forderungen nicht erfüllt werden, droht dem Direktor ein Warnstreik.

Am Ende wird die

Solidarität schwierig werden

Die frischgebackenen Gewerkschaftsfunktionäre sind voller Tatendrang. Am nächsten Tag sind sie schon beim Osram -Betriebsrat zu Gast. „Für uns war euer Besuch ein aufrüttelndes Moment“, bestätigen sie den maßgeblichen Einfluß der West-Kollegen. Die Ablösung der alten BGL bezeichnen sie als „kleine Revolution“, aber es bestehe kein Anlaß zu Euphorie, denn der Wahlsieg sei auch mit persönlichen Risiken verbunden: „Das ist ein Tanz auf dem Vulkan, für jeden, der sich in dieser Situation im Betrieb engagiert!“

Die Zusammensetzung der Gesprächsrunde ist wieder bezeichnend: Unter den zehn Gästen aus Ost-Berlin befindet sich nur ein Facharbeiter, neun sind technische Angestellte mit Hochschulabschluß; auf jeder Seite sitzt nur eine Frau mit am Tisch, die Mehrheit der an- und ungelernten Arbeiter ist überhaupt nicht vertreten. Die Betriebsräte von Osram sind wieder sehr bemüht, vor den Segnungen der Marktwirtschaft zu warnen, was die Kollegen von Narva allerdings nicht besonders schreckt: „Wir versprechen uns viel von der Marktwirtschaft.“ Erneut wird das westdeutsche Mitbestimmungsmodell kontrovers diskutiert - den Ost -Gewerkschaftern will nicht so recht einleuchten, warum die West-Betriebsräte so entschieden davon abraten, seien sie doch, trotz der Mängel, verhältnismäßig gut damit gefahren: „Es kommt drauf an, was man draus macht.“

Eher am Rande wird ein besonders heikles Thema aufgegriffen: der absehbare Interessenkonflikt zwischen den Beschäftigten beider Firmen. Bei Osram will man die in Frage stehende Glühlampenproduktion natürlich nicht an Narva abgeben. Da wollen die West-Gewerkschafter um „ihre“ Arbeitsplätze kämpfen. Für Narva wäre die Übernahme dieser Produktion die einzige Chance, Arbeitsplätze zu erhalten, sollten die anderen Bereiche dichtgemacht werden. Solidarität wird da sehr schwierig sein, haben die Osram -Betriebsräte doch schon einmal bewiesen, daß ihnen das Hemd näher ist als der Rock. Was sie offen zugeben: „Als es drum ging, daß in Europa einige Werke geschlossen werden sollten, da haben wir uns hingestellt und geguckt, daß wir die Betriebe in der BRD halten - das war zwar nicht im Sinn der internationalen Solidarität, aber wir haben es geschafft.“