Araber wollen Kriegsbeil begraben

■ Der Gipfel von Tobruk war eine kleine diplomatische Sensation / In den 80er Jahren hat sich Krisenpotential angesammelt / Jetzt sollen die Probleme gemeinsam angepackt werden

Berlin/Kairo (taz/adn) - Das Treffen der Staatsoberhäupter Libyens, Ägyptens, Syriens und Sudans am vergangenen Wochenende in Tobruk war das erste seiner Art seit über zehn Jahren. Seit 1979, als Ägypten wegen seines Friedensvertrages mit Israel in die diplomatische Isolation geriet, haben sich schwerwiegende Probleme in der arabischen Welt angesammelt, die bislang nicht angepackt werden konnten. Die diplomatischen Beziehungen zwischen Syrien und Ägypten wurden erst im vergangenen Dezember wiederhergestellt. Sie stellen sich jetzt als Schlüssel zur arabischen Einheit heraus.

In Tobruk wurden vor allem drei Schwerpunkte diskutiert. So sondierten Syriens Präsident Assad und Ägyptens Präsident Mubarak Möglichkeiten für eine Entkrampfung des syrisch -irakischen Verhältnisses, das nicht nur engerer arabischer Zusammenarbeit im Wege steht, sondern auch die Lösung der Libanon-Krise behindert. Außerdem bemühte sich Mubarak um eine Entspannung der libysch-amerikanischen Beziehungen in der Frage des umstrittenen Chemiekomplexes von Rabta. Ein drittes Thema war schließlich der Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit im Rahmen des Arabischen Kooperationsrats, des Golf-Kooperationsrats und der Maghreb -Union.

Die Veränderungen in Europa haben die Araber in große Unsicherheit gestürzt. Die brutaleren Diktatoren, so Syriens Assad und Iraks Saddam Hussein, sehen die Umwälzungen in Osteuropa als ernste ideologische Gefahr. In den nordafrikanischen Staaten geht vor allem die Angst um, daß der europäische Binnenmarkt zu einer Verschlechterung der Exportchancen nach Europa führen und die nordafrikanischen Immigranten in den EG-Ländern weiter marginalisieren wird.

Andere Probleme kommen hinzu: auf politischer Ebene die nach wie vor ungelöste Libanon-Krise, die von vielen als Metapher für die Krise der arabischen Zivilisation insgesamt angesehen wird, und die andauernde israelische Besetzung der palästinensischen Territorien. Ferner haben die blinden Vorherrschaftskämpfe des vergangenen Jahrzehnts zu einer schwindelerregenden Hochrüstung geführt. In der Folge hat sich eine hohe Auslandsverschuldung entwickelt, welche die Furcht vor Abhängigkeit vom Ausland verstärkt. Für die nach wie vor unzureichende Landwirtschaft (65 Pozent der Lebensmittel müssen importiert werden), den Arbeitsplatzmangel, die zunehmende Wasserknappheit und die ernsten Umweltprobleme sind schnelle Lösungen auch nicht in Sicht. Daß sich im Zuge dieses Krisenpotentials immer mehr Menschen dem islamischen Fundamentalismus zuwenden, der pauschal den Westen für alles verantwortlich macht und auf die Selbstreinigungskraft des traditionellen Islams hofft, beunruhigt die Herrschenden zusätzlich.

Von einer verstärkten Kooperation der arabischen Staaten werden handfeste Aktionen erhofft, die die „Gefühlsduselei und fehlende Sachlichkeit“ ('Egyptian Gazette‘) der üblichen Einheitsdiskussionen ablösen sollen. So soll verstärkt um bessere Weltmarktbedingungen für Exportprodukte, vor allem Erdöl, gerungen werden. Mit einer Verringerung der politischen Instabilität sollen auch die im Zuge des Ölbooms reichgewordenen arabischen Investoren dazu gebracht werden, ihr Geld in der Region zu investieren, statt damit auf den internationalen Finanzmärkten zu spekulieren.

Dominic Johnson