Zurück in die Zukunft

■ Heute treffen sich SPD und CDU in Ost-Berlin zu offiziellen Gesprächen über eine Große Koalition / SPD schließt Zusammenarbeit mit DSU nicht mehr aus

Ost-Berlin (taz) - Heute beginnen in Ost-Berlin erste Gespräche zwischen Christdemokraten und der SPD über eine mögliche gemeinsame Regierungsbildung. Delegationen beider Parteien wollen ausloten, so hieß es gestern, ob es übereinstimmende Positionen gibt. Das bislang größte Hindernis für Gespräche der beiden stärksten Fraktionen in der neugewählten Volkskammer haben die Sozialdemokraten selbst aus dem Weg geräumt: Die Zusammenarbeit mit der DSU, der CSU-Schwesterpartei unter dem Vorsitz des Leipziger Pfarrers Wilhelm Ebeling, wird nicht mehr kategorisch ausgeschlossen. Die Frage der DSU sei „nicht das Wichtigste“, meinte der amtierende Fraktionsvorsitzende Schröder. Jetzt will man Sachfragen zur Meßlatte der Zusammenarbeit machen.

Vor allem drei Punkte nennt der Katalog, den die Fraktion am Dienstag beschlossen hat. Im Fahrplan zur deutschen Einheit will sie eine Erklärung zur polnischen Westgrenze als Vorbedingung für die Vereinigung verankert sehen. Das Gebiet der DDR dürfe nicht in die Nato integriert werden, und die Eigentumsrechte der DDR-Bürger und die Bodenreform sollen festgeschrieben werden. Weiter formulieren sie ein umfangreiches Paket sozialer Sicherung. Unstrittig zwischen nahezu allen Partei dürfte ein letzter Punkt des SPD -Katalogs sein: Der „SED-Filz“ in staatlichen und betrieblichen Leitungsorganen müsse beseitigt werden, heißt es da. Wer mit den Sozialdemokraten in diesen Punkten übereinstimme, mit denen wolle man die Möglichkeit einer Koalition ausloten, erklärte Schröder.

Die Christdemokraten haben sich nach dem Gesprächsangebot der SPD optimistisch über das für heute anberaumte Gespräch geäußert. Ihr Vorsitzender Lothar de Maiziere meinte, viele der Punkte im Katalog der SPD seien auch Positionen seiner Partei. „Befriedigt“ ist auch DSU-Chef Ebeling darüber, daß die SPD mit der CDU verhandelt, ohne seine Partei auszuschließen. Es zeige sich jetzt, daß die SPD nicht vor der DSU Angst gehabt habe, sondern davor, in einer Großen Koalition noch mehr konservativen Parteien gegenüberzustehen. Geht es nach den Wünschen der DSU, soll auch der Termin für die Kommunalwahlen verschoben und mit den Länderwahlen zusammenfallen. Es sei „unlogisch“, meinte Ebeling, die Länder von oben nach unten aufzubauen. Die Leipziger haben sich derweil bereits mit der Forderung nach dem Präsidentenstuhl zu Wort gemeldet. Für das Volkskammerpräsidium oder das Amt des Präsidenten der Republik schlagen sie ihren Parteivorsitzenden Ebeling vor. Weiter sollen vier der - wie die DSU vorschlägt - 24 Ministerien in ihre Hand gehen: Bildung, Wissenschaft und Kultur sowie Landwirtschaft. Auch das Innenministerium sei im Gespräch, meinte gestern Ebeling. Offenbar ohne Absprache mit seinem Generalsekretär Diestel, denn der hat selbiges in einer gemeinsamen Regierung bereits den Sozialdemokraten versprochen.

bf