Auch Wirtschaft gegen 1:1

■ Nur der Umstellungskurs von kleinen Sparguthaben ist unumstritten Demokratischer Aufbruch sieht die Wahlkampffelle davonschwimmen

Bonn/Berlin (taz/dpa) - „Es darf nicht der Eindruck entstehen, daß die DDR-Arbeitnehmer zu Leibeigenen des westdeutschen Kapitals werden sollen.“ Karl-Otto Launicke, der sozialpolitische Sprecher des konservativen Demokratischen Aufbruchs (DA) in der DDR, hoffte gestern noch, „daß die im Wahlkampf diskutierte Regelung eines Umtauschwertes von 1:1 für Löhne, Gehälter und Renten durchgesetzt wird“.

Doch Bundeswirtschaftsminister Haussmann, der seit Wochenbeginn öffentlich einen niedrigeren Umstellungskurs befürwortet, legte noch einmal nach. Der Produktivitätsrückstand der DDR-Industrie sei höher als ursprünglich angenommen und betrage etwa beim Werkzeugmaschinenbau 40 Prozent, bei den Werften gar 75 Prozent.

Haussmanns Staatssekretär Otto Schlecht, der die Einführung der D-Mark in der DDR für die Jahresmitte erwartet, warnte davor, daß die dortige Wirtschaft mit einer „negativen Lohn -Produktion-Schere“ beginne, die einen schnellen Aufholprozeß gefährde. Auch der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages, Hans-Peter Stihl, und Helmut Geiger, der Chef des Sparkassen- und Giroverbandes, sprachen sich für unterschiedliche Wechselkurse aus.

Unumstritten ist derzeit nur, daß für kleinere Sparguthaben das 1:1-Verhältnis gelten soll. Es würde damit allerdings für die überwiegende Zahl der DDR-SparerInnen gelten. Die Struktur der DDR-Sparkonten ist immer noch nicht genau bekannt; Angaben aus den letzten Wochen zufolge besitzen aber zehn Prozent der DDR-BürgerInnen rund neunzig Prozent der Spareinlagen. Nach anderen Meldungen besitzt ein Viertel der KontoinhaberInnen rund drei Viertel der Guthaben. Der Handwerkspräsident Hanns-Eberhard Schleyer forderte, die Sparguthaben der Handwerker in der DDR ebenfalls 1:1 umzutauschen, weil dadurch erhebliche zusätzliche Investitionsmittel freigesetzt werden könnten.

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