Stasi-Mitarbeiter bauen „Anti-Terror-Einheit“ auf

„Schnelle Eingreiftruppe“ der DDR nach dem Vorbild der GSG 9 / 100 Stasi-Spezialisten eingestellt / Westberliner Polizeichef hat Bedenken  ■  Aus Ost-Berlin Dirk Asendorpf

Die DDR-Volkspolizei wird zur Zeit mit einer 450 Mann starken „Anti-Terror-Einheit“ nach dem Vorbild der bundesdeutschen „GSG9“ ausgestattet. Als Experten hat das Ostberliner Ministerium für Innere Angelegenheiten (MfIA) dafür 100 frühere Mitarbeiter der Stasi eingestellt. „Das sind alles Spezialisten der Terrorabwehr“, versicherte der Pressesprecher des von der PDS geführten Ministeriums, Dr. Mechtel, gestern gegenüber der taz. Jeder einzelne der 100 Ex-Stasi-Mitarbeiter habe eine persönliche Erklärung unterschreiben müssen, daß er nie „an Einsätzen gegen politisch Andersdenkende teilgenommen“ habe. „Das ist natürlich auch überprüft worden“, versicherte Dr. Mechtel, ohne allerdings mitzuteilen, von wem diese Überprüfung durchgeführt wurde.

Führungsjobs für Vopos

Alle Führungspositionen der neuen „Anti-Terror-Einheit“ seien zudem mit Volkspolizisten besetzt. Kontakte mit der Elitetruppe des Bundesgrenzschutzes, GSG9, würden „zu gegebener Zeit“ stattfinden, zur Zeit habe man aber noch mit „materiellen Schwierigkeiten“ bei der Ausbildung zu kämpfen. Außerdem müßten die Richtlinien und Vorschriften für die schnelle Eingreiftruppe „auf jeden Fall neu erarbeitet werden“. Bundesdeutsche Hilfe sei dafür noch nicht angefordert worden. „Wir hatten noch keinen Kontakt“, teilte denn auch der GSG9-Adjudant Krüger mit.

In der Vergangenheit war in der DDR die Hauptabteilung 22 der Stasi für die „Terrorbekämpfung“ zuständig. Bis heute gibt es jedoch weder über ihre Ausbildung noch über ihre damaligen Einsätze umfassende Informationen. Bekannt ist nur, daß diese Stasi-Abteilung bei der Suche nach bewaffneten Deserteuren der Sowjetarmee und bei der Niederschlagung eines bewaffneten Gefängnisausbruchs Anfang der 80er Jahre in Frankfurt/Oder eingesetzt worden war.

Die „Anti-Terror-Einheit“ ist keineswegs die einzige Stelle, an der ehemalige Stasi-Mitarbeiter einen neuen Job bei der Volkspolizei finden konnten. So wurden zum Beispiel 45 „Spezialisten“ des ehemaligen Amtes für Nationale Sicherheit (AfNS) von der Ostberliner Kripo übernommen. Sie seien „nach Kriterien des Zentralen Runden Tisches“ aus rund 300 Bewerbern ausgesucht worden und sollen bei der Aufklärung von Flugzeugabstürzen, Sabotage, Radikalismus und Drogenkriminalität helfen, teilte das Präsidium der Volkspolizei mit.

Bedenken gegen

Stasi-Leute bei der Polizei

Unter den Neuzugängen sei allerdings kein einziger leitender Stasi-Offizier. Zudem, so verspricht das Vopo-Präsidium, solle das Dienstverhältnis ehemaliger AfNS-Mitarbeiter sofort wieder gelöst werden, wenn Fakten bekanntwürden, die „unvereinbar mit den Anforderungen an einen Kriminalisten sind“. Wieviele ehemalige Stasi-„Spezialisten“ inzwischen in die Reihen der normalen Volkspolizei aufgenommen wurden, war bislang nicht zu erfahren.

Zweifel an der Richtigkeit der Neueinstellungen aus dem Stasi-Reich gibt es nicht nur bei der Ostberliner Opposition. Auch der stellvertretende Polizeichef in West -Berlin, Dieter Schenk, äußerte gegenüber der taz „erhebliche Zweifel, ob Ex-Stasi-Mitarbeiter sich jetzt in unsere Polizei integrieren können.“

Die „Ermittlungsmethoden“ der Stasi seien für einen künftigen gesamtdeutschen Rechtsstaat eine ganz schlechte Schule. „Die denken einfach falsch“, meint Schenk. Im Westen müßte die Polizei immer auch an das spätere Gerichtsverfahren denken, in dem ihre Ermittlungsmethoden von der Verteidigung überprüft werden könnten. Allerdings, so Schenk, müßten über die gesamte Frage der ost-westlichen Polizei-Vereinigung sowieso zunächst die Alliierten beraten.

Ganz so schleppend geht es mit der Integration der beiden Polizeiapparate jedoch nicht voran. Schon heute gebe es viele Beispiele „unkonventioneller Zusammenarbeit“ zwischen Ost und West, teilte zum Beispiel der Vorsitzende des Verbandes Deutscher Kriminalbeamter (VDK), Ingo Herrmann, in West-Berlin mit. Was bei der neuen Kooperation allerdings noch fehlt, ist eine Rechtsgrundlage. Denn noch immer gibt es zwischen den beiden deutschen Staaten kein Rechtshilfeabkommen.