Das Panchayat-System hat versagt

Die verbotenen politischen Parteien Nepals haben ihre Kraftprobe mit dem Panchayat-System gewonnen. Seit dem 18. Februar haben sie Regierung und König mit Protestaktionen und Demokratieforderungen zunehmend unter Druck gesetzt. Der Tag war von symbolischer Bedeutung: Am 18. Februar 1951 hatte sich Nepal von der erblichen Premierministerschaft des Rana-Klans befreit, der eng mit der britischen Krone zusammengearbeitet hatte. Die nepalesische Kongreß-Partei hatte sich seit den späten vierziger Jahren für ein demokratisches Parteiensystem eingesetzt. Erst 1959 konnte für kurze Zeit die Kongreß-Partei mit großer Mehrheit ins Parlament einziehen. Doch der Sohn des Königs Tribhuvan, König Mahendra, sollte schon 1960 das Parlament wieder auflösen und die Parteien verbieten.

Seit 1962 ist die Panchayat-Verfassung in Kraft. Nach seinem Selbstverständnis zielt das Rätesystem darauf ab, ein harmonisches Gesellschaftsleben herzustellen. Doch tatsächlich steht allein dem König alle Staatsgewalt zu. Unter diesen Bedingungen war Kritik bislang unerwünscht. In der aufgeblähten Bürokratie von mindestens 100.000 Staatsdienern herrscht ein Klima des Buckelns. Bei einem kargen Gehalt von rund 1.500 Rupien, kaum 100 DM, sind die meisten Beamten auf einen Zweitjob oder Bestechungsgelder angewiesen. „200 Familien plündern dieses Land gnadenlos aus“, bemerkte ein auslandserfahrener Nepalese zur katastrophalen Unterentwicklung. Nepal gehört mit einem jährlichen Pro-Kopf-Einkommen von kaum 170 Dollar zu den ärmsten Staaten der Erde. Zwei Drittel der 18 Millionen erreichen dieses Einkommen nicht einmal. 90 Prozent der Bevölkerung lebt auf dem Land, drei Viertel sind Analphabeten, nicht einmal jede fünfte Frau kann lesen oder schreiben.

An den Hängen des Himalaya reicht der arbeitsintensive Terrassenanbau bis in Höhen von 4.000 Metern. Die Hektarerträge gehen seit Jahren zurück. Um mit dem Bevölkerungszuwachs von 2,6 Prozent pro Jahr Schritt zu halten, werden ständig Waldflächen vor allem im an Indien grenzenden Tiefland gerodet. Der Waldbestand hat in den letzten Jahrzehnten auf nur noch ein Viertel der Landesfläche abgenommen. Von Jahr zu Jahr rutschen mehr Hänge ab, werden mit den Monsunfluten nach Indien ge spült.

Milliarden an Entwicklungshilfe - allein die Bundesrepublik hat dem Königreich über 830 Millionen DM zukommen lassen haben Nepal wenig geholfen. Ausländische Experten und kritische Nepalesen werfen dem Königshaus und der Regierung vor, das meiste Geld in die eigenen Tasche gesteckt zu haben. Vor allem Königin Aishwarya Rajya Laxmi Devi Shah wird nachgesagt, bei Korruption und Schmuggel ordentlich mitgemischt zu haben. Das Panchayat-System, seit dem Referendum von 1980 beauftragt, Chancengleichheit für alle zu schaffen, hat offenkundig versagt, die Bevölkerung politisch und wirtschaftlich zu aktivieren. Ebenso wie in den sozialistischen Staaten Europas hat auch am Himalaya ein System von Angst und Unterdrückung, auf der Basis einer unrealistischen Planwirtschaft ausgedient.

Was jetzt kommt, ist noch ungewiß. Am Montag sollten Oppositionsführer erneut mit König Birendra und seiner Rumpfregierung über eine Regierungsbeteiligung der Parteien, einen Wahltermin und die Grundzüge der Verfassungsänderungen verhandeln.

Eine Unbekannte für die politische Entwicklung des Landes am Himalaya ist bislang auch noch die Rolle Indiens. Als Binnenland ist Nepal vom Wohlwollen der südlichen Großmacht abhängig. Als im März 1989 Handels- und Transitverträge ausliefen, sperrte Indien kurzerhand 13 von 15 Grenzübergängen. Benachteiligt waren die, die ohnehin kein Geld für Vorräte hatten. Der Abschluß sicherer Wirtschaftsverträge mit Indien wird eine der ersten Aufgaben der neuen Regierung sein.

Tom Trekker, Katmandu