Frankreich dankt Libyen

■ Die Freilassung dreier Geiseln im Libanon beruht auf einem Zusammenspiel zwischen Tripoli und Paris

Berlin (taz) - Am Dienstag abend trafen sie in Paris ein: Jacqueline Valente, ihr Freund und ihre kleine Tochter, deren Freilassung von der palästinensischen Splittergruppe „Fatah-Revolutionsrat“ Abu Nidals verfügt worden war. Sie stiegen aus einer französischen Privatmaschine und verschwanden hinter Polizeischutz. Wartende Journalisten wurden abgedrängt. Frankreichs Medien berichteten gestern spitzzüngig, man wolle offenbar nicht, daß die Weltöffentlichkeit von dem schmutzigen Geschäft erfahre, das zu der Geiselbefreiung geführt hatte.

Dabei ist die Angelegenheit durchaus kurios. Sie begann am 8. November 1987, als die Jacht „Silco“ vor der libyschen Küste aufgebracht wurde. An Bord befanden sich Frau Valente, ihre zwei Töchter, ihr belgischer Freund Houtekins und vier weitere Belgier, die allesamt von Abu Nidals Gruppe der Spionage für Israel beschuldigt, in Haft genommen und nach Libanon verschleppt wurden. Die französischen und belgischen Regierungen zeigten sich, im Gegensatz zu den anderen Geiselfällen im Nahen Osten, wenig berührt. Erst nach Hungerstreiks gelang es der Familie Valente, die Anerkennung der Inhaftierten als Geiseln durchzusetzen. Zuvor hatte es immer geheißen, seit Mai 1988 gebe es keine französischen Geiseln im Libanon mehr.

Im Dezember 1988 wurden die zwei Töchter von Jacqueline Valente auf Veranlassung des libyschen Staatschefs Gaddafi freigelassen. Frau Valente gebar in der Haft zwei weitere Kinder, von denen eines starb. Die Affäre zog sich unter immer lauteren öffentlichen Protesten hin, und die Zurückhaltung der offiziellen Stellen in Frankreich und Belgien wurde immer schärfer kritisiert.

Am 4. April rief Gaddafi dann „alle Moslems der Welt“ dazu auf, „alle politischen Häftlinge und Geiseln, besonders die des Nahen Ostens“ freizulassen. Die Regierungen sollten sich an den islamischen Werten orientieren, welche „die Menschenwürde verteidigen und die Inhaftierung Unschuldiger verbieten“. Am nächsten Tag erklärte der „Fatah -Revolutionsrat“, man bereite die Freilassung der acht Geiseln vor und habe die dazu notwendigen Kontakte geknüpft.

Darauf setzte ein Rätselraten ein: was für Kontakte? Der Revolutionsrat nutzte die Spannung aus, sagte, nur drei der acht Geiseln würden freigelassen, und beglückwünschte den französischen Präsidenten Mitterrand „zu seinem Erfolg“. Im Gegensatz zu Frankreich hätte die belgische Regierung jedoch ihre „Versprechungen nicht gehalten“.

Dies heizte die Spekulationen weiter an und ärgerte Brüssel und Paris. „Man kann keine Versprechungen machen, wenn nichts erbeten worden ist“, erklärte der belgische Justizminister am vergangenen Freitag. „Wir wissen nicht, was die Franzosen versprochen haben, aber es scheint, daß sie Versprechungen gemacht und eingehalten haben“. Am Sonntag wurde er dafür von Walid Khaled, Sprecher des „Revolutionsrates“, kritisiert. Gleichzeitig wurde versichert, die Haftentlassung würde wie geplant vorangehen.

Am Dienstag wurden dann die drei Geiseln der französischen Botschaft in der libanesischen Hauptstadt Beirut übergeben, welche sie am selben Abend nach Paris weiterschickte. Paris freute sich und lüftete den Schleier des Geheimnisses ein wenig: Präsident Mitterrand sprach dem libyschen Staatschef Gaddafi seinen „persönlichen Dank“ aus, und Außenminister Dumas dankte Gaddafi für seine „humanitäre Geste“, deren „richtigen Wert“ man „für die Beziehungen Frankreichs zu Libyen einschätzen“ werde. Auch Belgien verriet jetzt, daß Verhandlungen sehr wohl stattgefunden hätten und auch weitergingen, da ja immer noch vier Belgier in Geiselhaft sind.

In Beirut wird die Haftentlassung als Teil eines langfristig geplanten Zusammenspiels zwischen Paris und Tripoli gewertet. Während die USA und die BRD immer noch auf Konfrontationskurs zu Gaddafi gehen - wie die jüngste Affäre um die Chemiewaffenfabrik Rabta zeigte - hat sich Frankreich um eine Verbesserung der Beziehungen bemüht. Im November 1989 erlaubte Paris den Verkauf dreier Mirage-Kampfflugzeuge an Libyens Luftwaffe und durchbrach damit die US-gewünschten Sanktionen. Ferner sind in letzter Zeit französische Getreidelieferungen an Libyen wiederaufgenommen und die Fernschreib- und Schiffsverbindungen wiederhergestellt worden. Die jüngsten Verhandlungen wurden nach Pariser Angaben auf französischer Seite vom Direktor des Geheimdienstes DST, Bernard Gerard, geführt. Er hatte schon 1988 die Freilassung der ersten beiden Valentine-Kinder eingefädelt.

Dominic Johnson