Grüne Fraktion kritisiert Sprecher

Fraktionssprecher Hoss unter heftiger Kritik, nachdem er Nato-Mitgliedschaft Deutschlands vorschlug / Offener Brief von Bundestagsabgeordneten: Sabotage der Friedensbewegung  ■  Aus Bonn Gerd Nowakowski

Die Bundestagsfraktion der Grünen hat gestern nachmittag die Überlegungen ihres Sprechers Willi Hoss zum übergangsweisen Verbleiben eines vereinigten Deutschlands in der Nato zurückgewiesen. Ohne Gegenstimmen beschloß die Fraktion, es gebe weder eine Notwendigkeit, von der Position zur Auflösung beider Militärblöcke abzurücken, noch eine zwischenzeitliche Nato-Zugehörigkeit zu befürworten.

Die Überlegungen Hoss haben bei den Grünen heftige Reaktionen hervorgerufen. Die BundestagsabgeordnetInnen Eich, Beer und Schilling bezeichneten sie in einem offenen Brief als „Schlag ins Gesicht“. Hoss behandle den „Raus-aus -der-Nato„-Beschluß des Hagener Parteitags wie einen „Fetzen Papier, um das man sich nicht zu kümmern braucht“. Der Fraktionssprecher hatte betont, angesichts einer schnellen deutschen Vereinigung und der Erwartung, daß der Aufbau neuer Sicherheitssysteme in Europa Jahre dauern werde, ziehe er eine Nato-Mitgliedschaft einem uneingebundenen Deutschland mit eigenem Armee-Oberkommando vor.

Die Bedenken seien nur „vorgeschoben“, um die Grünen zu einer „Nato-frommen Partei zu machen“, urteilen die drei AbgeordnetInnen. Willi Hoss „sabotiere“ die Friedensbewegung und mache sich zum Helfer einer Nato, die eine „aggressive Machtpolitik nach Osten und Süden“ betreibe. Nicht eine deutsche Sonderrolle mit Streitkräften unter nationalem Oberkommando sei das Ziel der Grünen, sondern eine Konzeption umfassender Abrüstung und Abschaffung der Bundeswehr mit internationaler Kontrolle des deutschen Machtpotentials.

Ebenso wie der Pressesprecher des Bundesvorstands, Frank, fordern sie indirekt den Rücktritt von Willi Hoss. Wenn sich Hoss wie ein „Papagei“ fühle, weil er immer wieder den Raus -aus-der-Nato-Beschluß „nachbeten“ müsse, sei das sein „individuelles Empfinden“, erklärte Frank. Wenn ihm das schwerfalle, dann solle er seine Sprecherrolle überprüfen. Der Beschluß bleibe ein „wichtiger Schritt zur Überwindung der Blocklogik“.

Nach Ansicht des Abgeordneten Mechtersheimer ist die von Hoss bevorzugte Mitgliedschaft eines vereinten Deutschlands in der Nato nur diskussionswürdig, wenn sich die Nato in eine politische Organisation wandeln würde. Dafür aber gebe es keinerlei Hinweise.