Der letzte der Rebetis

■ Gespräch mit Michalis Jenitsaris über die griechische Musik des Widerstands und der Sub-Kultur

Michalis Jenitsaris, 73, der letzte alte Mann des griechischen Rebetico, begeisterte am Donnerstag- abend in der fast vollen Schauburg Griechen und Deutsche. Begleitet von fünf Musikern und einer Sängerin - allesamt durchschnittlich 40 Jahre jünger als er - schien er nach zwei Stunden virtuosen Buzuki-Spiels und Gesanges kein bißchen müde. Auch wer die Texte nicht verstand, hörte Untertöne, Ironie und die scheinbare Arglosigkeit heraus. Die taz sprach mit Jenitsaris.

Eine Deutsche sagte: Rebetiko ist der griechische Blues.

Ja, der amerikanische Blues und das griechische Rebetiko sind Geschwister. Zwar ist die Musik unterschiedlich, aber die Texte sind ähnlich. Der Blues schreibt über die Eltern, die Armut, die Liebe, das menschliche Leid, so ist auch unser Rebetiko.

Wann hat die Rebetiko-Kultur angefangen?

Zuerst entwickelte sie sich in Piräus, Mitte bis Ende der zwanziger, Anfang der dreißiger Jahre in der Karaiskakis -Gegend, als die Flüchtlinge 1922 aus Kleinasien kamen. Den Anfang hat der Batis gemacht im „Kontinental“, und dann waren Markos Wamwakaris, Delias, ich, Keromitis, Bajaderas, das waren wir. Wir haben damit angefangen in einer Zeit, in der wir die Prügeleien aushalten mußten, weil das Rebetiko -Lied vom Diktator Metaxas verboten war. Aber wir liebten es, uns mit unserer Buzuki durch die Nächte zu schlagen.

Es gibt viele Lieder, die von Drogen erzählen, beispielsweise „wenn ich sterbe, begrabt mich in einer Ecke alleine, und über meinem Grab pflanzt mir zwei Kannabis -Pflanzen, damit sie mir Schatten werfen“, was hat Rebetiko mit der Droge zu tun?

Der Vorläufer der Buzuki, der Baglamas, wurde im Gefängnis entwickelt, wo viele wegen Drogen einsaßen. Das war das Mißverständnis. Es bedeutet aber nicht, daß Buzuki mit den Haschisch-Liedern unbedingt zusammengehört. Die Droge kam mit den Flüchtlingen aus Kleinasien zu uns. Sieh mal, viele haben die Droge benutzt und es waren nicht nur die Buzuki -Spieler. Geiger, Klarinettisten, Pianisten usw., aber es bedeutet wiederum nicht, daß alle es gemacht haben. Als ich meine erste Platte machte, hat meine Mutter sich das Gesicht zerkratzt, weil sie dachte, daß ich unter die Haschisch -Raucher gegangen bin. Das war 1936. Heute lernt jedes Kind Buzuki und spielt Rebetiko. Es gibt heute Menschen, du hörst bei ihnen zu Hause nichts als klassische Musik. Aber wenn sie einen getrunken haben, dann verlangen sie die Buzuki und fangen an, danach zu tanzen.

Welche Rolle hat Rebetiko in der Resistance gespielt?

Ich habe die ersten Lieder gegen die deutschen Besatzer geschrieben. Beispielsweise den legendären „Saltadoros“, wo es heißt: „Ich werde springen und ihnen das Reserve-Rad klauen, den Kanister...“, oder: „Die Kollaborateure haben einen Freund von mir ermordet“ oder die Lieder zum Schwarzmarkt. Als ich den „Saltadoros“ schrieb, habe ich den Jungs Signale gegeben, was und wie sie etwas durchzuführen haben. Abends sind dann die Deutschen zu uns gekommen und haben uns gehört, aber nichts verstanden.

Rebetiko ist in den verqualmten Kellern und in der Angst entstanden. Anfangs haben wir gegen die Macht des Polizeistaates gesungen'später gegen die Be

satzer.

Wer ist noch geblieben von damals?

Ich bin der letzte. Damals war ich der jüngste. Die anderen haben uns alle verlassen und ich....naja vielleicht noch einige Jahre...

Wo habt ihr euch getroffen, wer war sonst dabei, wovon habt ihr gelebt?

Wir trafen uns meistens in einem „Tekes“ (halbdunkle, verqualmte Lokale, wo man in den Anfängen auch die Wasserpfeife bekam). Dort kamen wir zusammen...Papaioanu, Stratos und

alle anderen. Persönlich habe ich das Buzuki-Spielen damals nicht professionell betrieben. Ich war mit meiner Buzuki gegen die Metaxas-Diktatur und immer wieder im Gefängnis. Das erste Mal waren es sechs Monate, weil ein Polizist mein allererstes Instrument kaputtgetreten hatte, hatte ich ihm den Kragen abgerissen. Ich war abgestempelt als „zwielichtiges Element“ und „Gefahr für die Öffentlichkeit“. Fragen und Übersetzung: Alexios Theodoridi