Paris und London bremsen bei VKSE

■ Klarheit über westeuropäische Verteidigungsorganisation vor Truppenreduzierung

Genf (taz) - Nicht die Sowjets blockieren die Wiener Abrüstungsverhandlungen - sondern Frankreich und Großbritannien. Franzosen und Briten verlangen, daß vor Verhandlungen über Truppenreduzierungen zunächst „mehr Klarheit über Notwendigkeit, Formen und Größenordnung einer westeuropäischen Verteidigungsorganisation“ geschaffen wird. Das erfuhr die 'taz‘ aus östlichen und westlichen Diplomatenkreisen.

Nach diesen Angaben wird in Wien seit Wochen informell über folgende, wesentlich von der bundesdeutschen Delegation formulierte Kompromißformel diskutiert: Bis zur Unterzeichnung eines ersten VKSE-Abkommens soll nicht - wie bislang von Moskau und den meisten anderen Warschauer-Pakt -Staaten verlangt - über Truppenreduzierungen verhandelt werden. Doch soll das Abkommen folgende verbindliche Festlegungen enhalten: Die Frage von Truppenreduzierungen ist mit der bereits vereinbarten Begrenzung sowjetischer und US-amerikanischer Soldaten in Zentraleuropa auf jeweils 195.000 nicht abgeschlossen; unmittelbar nach Unterzeichnung von Wien 1 beginnt auf der Basis desselben Mandats eine zweite Verhandlungsrunde, bei der es vorrangig um die Reduzierung aller anderen nationalen wie fremdstationierten Truppen im Verhandlungsgebiet zwischen Atlantik und Ural und damit auch um die auf dem Territorium des künftig vereinten Deutschlands geht.

Die Delegationen der Sowjetunion und der anderen sechs Warschauer-Pakt-Staaten haben dieser Kompromißformel im Prinzip zugestimmt. Doch unter den Nato-Staaten herrscht noch kein Konsens. Franzosen und Briten wollen „im Rahmen der Westeuropäischen Union (WEU) oder der westeuropäischen Nato-Staaten“ eine westeuropäische Verteidigungsorganisation festklopfen. Vorher wollen sich Paris und London nicht darauf „festlegen“, in einer zweiten Wiener Runde über Reduzierungen von Truppen sowie über ein erstes VKSE -Abkommen hinausgehende Verringerungen von Waffen zu verhandeln, die „möglicherweise auf einen Stand unterhalb des für eine westeuropäische Verteidigung notwendigen Minimums“ führen. Konsens ist bisher lediglich, daß sich eine zweite Wiener Verhandlungsrunde mit Fragen der militärischen Mobilisierung befaßt.

azu Bericht auf Seite 8