Die PDS auf dem Prüfstand

Was Ex-SED und Diestel zu Gesprächen treibt  ■ G A S T K O M M E N T A R E

Man könnte den Versuch von DSU-Minister Diestel, nun ausgerechnet bei der PDS-Fraktion, um Verständnis für seine Person und Politik zu werben für einen schlechten Scherz halten, wenn nicht dadurch alle Gespenster der SED -Vergangenheit erneut zu tanzen begännen. Wer sich verbal und kosmetisch von der eigenen Vergangenheit lossagt, wie die PDS, aber auf die Wahrung des internen Kader- und Besitzstandes peinlich bedacht ist, wird einen erzkonservativen Innenminister nicht ins Aus schicken, der einem personalpolitisch so viele Brücken baut.

Ein konsequentes Nein zu Diestel und seinen autoritären Praktiken würde an den noch gewichtigeren Existenzgrundlagen der PDS rühren, die sie mit den anderen alten Blockparteien teilt: Immobilien, Tarnfirmen, Elefantenfriedhöfe und der ganze Filz jahrzehntelang gewachsener Apparatsstrukturen. Mit Sperrung der Konten allein ist noch gar nichts getan, wenn nicht schnellstens parlamentarische Kontrollen und Untersuchungsausschüsse versuchen, das ganze Ausmaß dieses Sumpfes zu erfassen. Für die wirklichen Erneuerungskräfte in der PDS, die dem Schacher der Parteifinanziers um die Häuser der Demokratie in Leipzig und Berlin und um zahlreiche andere Liegenschaften tatenlos zusehen, muß der Schnitt bald kommen. Sie bilden das idealistische Feigenblatt für die alten Apparatschiks und machen es den anderen Blockflöten möglich, in Bausch und Bogen gegen die PDS zu kläffen, um die eigenen unsauberen Besitzstände unter der Decke zu halten. Wollen sie, gemeinsam mit anderen Gesinnungsgenossen zu einer linkssozialistischen Kraft werden, die gegenüber einem radikal demokratisch-ökologischen Bündnis dessen Umrisse sich deutsch-deutsch deutlich abzeichnen ein eigenes Profil gewinnt, müssen sie diesen Sprung wagen. Hic Rhodos hic salta.

Wolfgang Templin, Berlin

Der Autor ist Gründungsmitglied der DDR-Oppositionsgruppe „Initiative Frieden und Menschenrechte“.