Peinsäcke der Nation

■ Italia 90 im Spiegelecho dummdreister öffentlich-rechtlicher Ballbeobachter

PRESS-SCHLAG

Seit nunmehr fast einem Monat ist die Fußball-WM vorüber; Zeit, gelassen und mit einem gewissen Abstand die televisionäre Behandlung des Ereignisses einer abschließenden kritischen Prüfung zu unterziehen. Unser eigens zu diesem Zweck abgestellter Mitarbeiter hat nach einer vierwöchigen radikalen Kur seine regelmäßigen Schreikrämpfe überwunden und kann inzwischen sogar wieder schlafen, ohne mitten in der Nacht schweißgebadet aufzuwachen und minutenlang „Faßbender, Faßbender“ zu brüllen. Nachdem er am letzten Samstag die Sportschau ohne jedes Anzeichen beginnenden Wahnsinns überstanden hatte, gaben ihm die Ärzte grünes Licht. Hier ist sein Bericht:

Schreibt ein taz-Journalist über die Stränge, so läuft er immerhin Gefahr, sich überspitzt philosophierte Leserbriefe einzuhandeln. Rubenbauer, Zimmer, Ploog, Kürten und Co. hingegen konnten bei der WM ihre Sätze verschießen wie Maradona, Ruben Sosa, Donadoni oder Vialli ihre Elfmeter. Zum ersten genialen Strafsatz lief Fritz von Thurn und Taxis im Spiel Österreich - Italien an, als er in Fußball -Österreichisch für Ausländer erklärte, was ein „Heberl“, „Ferserl“ oder gar ein „Gaberl“ sei. Dabei hatte er vorher noch Zeit genug, über das Alter der Österreicher zu philosophieren, um es erkenntnistheoretisch auf das Komma zu bringen: „Lindenberger ist mit seinen 33 Jahren der einzige mit einer 3 vor dem Komma.“

Den Italienern gestand er zu: „Vialli läuft soviel, der kennt jeden Quadratzentimeter des Spielfeldes im Querformat“, was immerhin Rasenkenner und Plagiator Rummenigge zum Nachschießen im Spiel BRD-Kolumbien bewogen haben muß: „Häßler hat ein Riesenlaufpensum.“ Worauf sich Rubenbauer das Wortleder glattzieht und in physiologischer Analyse des Danbentreffens kontert: „Ja, links wie rechts.“

Gleichwohl hat er aber Probleme mit den Körpern der Akteure und täuscht nach einem Foul des Abwehrhünen Dieguido Buchwald geschickt an: „So einen harten Ellenbogen hat der in ganz Kolumbien noch nicht erlebt. Aber genaugenommen war es das Knie.“ Aber auch Peter Jensen konnte seinen Scharfblickschuß nicht verwandeln: „Der argentinische Torwart liegt am Boden und hält sich den Kopf, er ist offensichtlich am Knie verletzt.“

„Der sowjetische Schiedsrichter düpiert, nein, er gibt sein Debüt“, sagt Werner Zimmer und verfehlt ebenso das Ziel wie Otto Rehhagel: „Es ist kein einziger Spieler der Ball.“ Dieter Kürten dagegen ist vom Fach: „Das weiß doch jeder, daß das A und O beim Fußball der steile, kurze Paß ist.“ Genetikexperte ist dagegen Günther-Peter Ploog. „Eineiige Zwillinge“ seien die ägyptischen Brüder Hassan, „aber sowas von eineiig.“

Nachhilfe in Sachen Ausländerfreundlichkeit gab Heribert Faßbender: „Dieser Schiedsrichter sollte zurück in die Pampa geschickt werden“ (BRD-Niederlande). Das Pendant - „Ab in den Urwald“ - blieb uns erspart, denn die Partie Kamerun Argentinien kommentierte Marcel Reif, der mit seinem „Lauft, ihr Negerlein, lauft“ immerhin die Abbitte durch den ZDF -Intendanten heraufbeschwor.

Im übrigen hatte man den Eindruck, die gesamte WM sei ein Familien- und Sippentreffen: „Franz Beckenbauer ist Vater geworden, sein Sohn heißt Häßler“, schreit Rubenbauer während des worterotischen pas de deux mit Familienkenner Rummenigge, der ganz spontan den Ball mit „Jaaa“ annimmt. Lediglich Dieter Kürten will uns weismachen, daß Englands Parker „keine Verwandten kennt“.

Dann sind es die Füße, die zu ungemein tiefschürfender Erkenntnisschwere führen: „Nicht hübsch mit anzusehen, wie beide da mit gestreckten Füßen zur Sache gehen.“ Wo Marcel Reif noch gesundheitliche Bedenken auf den Rasen bringt, scheint sich Rummenigge schon mit der Verstümmelung abgefunden zu haben: „Da hätte Schillaci mit dem angeschnittenen Fuß schießen müssen.“ Was aber nun ein „Außen„- bzw. „Innenvollspann“ ist, vermochte Kalle nicht mehr zu erklären, zu sehr war er im Ru-Ru-Duett besorgt um des Kaisers Contenance: „Wenn der Kaiser“, so Rubenbauer, „die Unterlippe vor die Oberlippe schiebt, dann ist Gefahr im Verzug.“ Rummenigge: „Der Franz ist zornig, das sieht man.“ Und weiter: „Wir sehen gelegentlich Beckenbauers rechte Schläfe. Die Zornesader schwillt. Ich habe Sorge um ihn.“

Währenddessen kümmert sich Dieter Kürten um Gary Lineker: „Ein Mann mit Torriecher, im Moment ist das Näschen etwas verstopft.“ Dann schaut er noch etwas höher: „Waddle war beim Friseur, er sieht jetzt aus wie Gascoigne“, und Kürten fährt fort: „Ja, im grün-weißen Dreß, da erkennt man unsere Spieler nicht wieder.“ Wenn es doch nur Zungenkrämpfe oder Stimmbänderprellungen bei Fußballreportern gäbe. Oder wären sie wenigstens so wie Chris Waddle: „Er flucht jetzt stumm vor sich hin.“ (Kürten)

Zum Finale das längst fällige Eigentor von Kalle Rumgenippe: „Daß sie alle hinter dem Ball herrennen, hat seinen Ursprung in der arabischen Mentalität.“ Demnach wäre die gesamte Bunte Liga eine Domäne der „Wüstensöhne“ (Faßbender). Und Ernst Elitz bringt es schließlich auf den Punkt: „Wer hat schon was gegen Neger, wenn sie gut Fußball spielen.“

Achim Blickhäuser