Benazir Bhutto in Opposition verbannt

■ Wegen „äußerer Aggression“ und „innerer Unruhen“ verhängt Präsident Khan Ausnahmezustand nach Parlamentsauflösung / Bhutto soll von den nächsten Wahlen ausgeschlossen werden

Islamabad(taz/wps/ap) - Im Schatten der Krise in Nahost hat der pakistanische Präsident Ischak Khan am Montag Kraft seines Amtes der 20monatigen Regierungszeit Benazir Bhuttos ein abruptes Ende bereitet. Der Entlassung der Premierministerin und der Auflösung des Kabinetts folgte noch am gleichen Tag die Vereidigung des Oppositionsführers Ghulam Mustafa Jatois als Übergangspremier und schließlich die Ausrufung des Ausnahmezustands. Frau Bhutto nannte den Schritt des Präsidenten „illegal und verfassungswidrig“ und sprach von einer Verleumdungskampagne gegen ihr Kabinett.

In einer noch am Montag in Islamabad veröffentlichten Anordnung Khans zur Verhängung des Ausnahmezustandes hieß es, der Präsident sei überzeugt, daß die Sicherheit Pakistans von einer „äußeren Aggression und von inneren Unruhen bedroht werde, die von den Provinzregierungen nicht unter Kontrolle gebracht werden können.“ Nach Angaben von Beobachtern wurde umgehend das Parlament der nordwestlichen Grenzprovinz zu Afghanistan vom dortigen Gouverneur aufgelöst. Es wurde damit gerechnet, daß in den drei restlichen Provinzen Punjab, Sindh und Beludschistan bald neue Gouverneure eingesetzt werden, um die die Parlamente aufzulösen.

An den für den 24.Oktober anberaumten Wahlen will sich Benazir Bhutto wahrscheinlich wieder um das Amt der Ministerpräsidentin bewerben. Und da rechnet sich die „Tochter des Ostens“, wie sie sich in ihrer Autobiographie nennt, keine schlechten Chancen aus. „Ich bezweifle nur, daß sie es dazu kommen lassen werden.“ Tatsächlich droht ihr möglicherweise der Ausschluß vor den nächsten Wahlen, sagte der ehemalige Informationsminister Ahmed Saeed Awan. Die pakistanische Übergangsregierung überlegt nach seinen Informationen, ein Tribunal gegen Bhutto einzurichten. Tribunale haben in Pakistan die Befugnis, Politikern die Teilnahme an Wahlen für fünf bis sieben Jahre zu verbieten.

Wie PPP-Sprecher Shafi jedoch versicherte, werde das Exekutivkomitee der Pakistanischen Volkspartei (PPP) von Frau Bhutto in etwa einer Woche zusammenkommen, um die Strategie der Partei für die Parlamentswahlen festzulegen. Besonders in Sindh wurde die Auflösung von Regierung und Parlament mit Jubel begrüßt. Mitglieder von Oppostitionsgruppen hatten sich vor Fernsehgeräten versammelt, um die Ansprache des Präsidenten zu beklatschen.

In einer am Montag ausgestrahlten Fernsehansprache warf der Präsident der Regierung eine Mißachtung der Verfassung, Respektlosigkeit vor der Justiz und den Mißbrauch des Behördenapparates und Korruption vor. Frau Bhutto erklärte dagegen, der Präsident habe eine undemokratische Übergangsregierung installiert und die demokratisch legitimierte Führung des Landes entlassen. Sie nehme aber an, daß hinter der Entscheidung Ischak Khans „andere Elemente“ stünden. Ihre Pakistanische Volkspartei (PPP) prüfe, ob sie gegen den Präsidenten Anklage vor dem Obersten Gericht erheben solle.

Frau Bhutto sagte, die Armee habe am Montag ihr Haus, ihr Dienstgebäude sowie die Büros des Geheimdienstes umstellt. Der Stabschef des Heeres, General Mirza Aslam Beg, erklärte dazu, seine Soldaten hätten die verschiedenen Einrichtungen besetzt, um einen ordnungsgemäßen Regierungswechsel zu gewährleisten. Das Militär wolle nicht die Macht an sich reißen.

Das Militär hat der Regierung Bhutto in den vergangenen Monaten wiederholt vorgeworfen, für zahlreiche Zusammenstöße zwischen verschiedenen Volksgruppen in Pakistan verantwortlich zu sein. Allein seit Mai sind dabei mehr als 400 Menschen ums Leben gekommen. Benazir Bhutto hatte sich geweigert, der Armee in ihrer letzten Hausprovinz erweiterte Kompetenzen einzuräumen. Auch im Kaschmir- und Afghanistankonflikt vertrat die Premierministerin in Absprache mit ihrer „Schutzmacht“ USA einen vergleichsweise moderaten Kurs.

Abgeordnete der PPP erklärten, sie fürchteten vorgezogene Wahlen, weil die Regierung keine Erfolge vorzuweisen habe. Während der gesamten Regierungszeit konnte die Regierung Bhutto außer dem Haushaltsplan aufgrund ihrer knappen Mehrheit im Parlament kein einziges Gesetz verabschieden.

In den vergangenen Wochen hatte es in Islamabad bereits Gerüchte über die bevorstehende Auflösung der aus 237 Mitgliedern bestehenden Nationalversammlung gegeben. Die Nationalversammlung, in der die PPP eine knappe Mehrheit hielt, sollte ursprünglich am kommenden Mittwoch zu ihrer nächsten Sitzung zusammentreten. Am Sonntag hatten Gegner der Ministerpräsidentin angekündigt, sie wollten die Regierung dann mit einem Mißtrauensvotum zu Fall bringen. Mit der Auflösung des Parlaments am Montag ist Ischak Khan dieser Absicht zuvorgekommen. Die Regierungschefin hatte im vergangenen November ein Mißtrauensvotum nur knapp überstanden und mußte sich den Vorwurf gefallen lassen, daß sich die allgemeinen Lebensbedingungen seit dem Ende der Diktatur ständig verschlechtert hätten

In Indien stieß die Nachricht von dem abrupten Regierungswechsel auf scharfe Kritik. Zeitungen in Neu Delhi warnten davor, daß der Sturz der Regierung, den sie als Militäraktion einordneten, zu einer Verschärfung des Konflikts um Kaschmir führen könnte. Das US-Außenministerium bezeichnete die Vorgänge in Pakistan als „interne Angelegenheit“ des Landes, nachdem zwei Abgeordnete der Demokraten Sanktionen gegen Islamabad gefordert hatten.

sl