„Humanität geht nur von oben nach unten“

■ Managerschulung im „Schafhof“ eines Jesuitenpaters / Ausgelaugte Vierzigjährige lassen sich ihre verkrustete Psychostrukturen aufbrechen

Von Thomas Leif

Aggressiv und sanft, scharfsinnig und doch besorgt um die Seelen der „Menschen, die permanent an der Peripherie agieren und sich zu verlieren drohen“ - so profiliert sich der „Managerpabst“, die Nummer eins in der Managerausbildung, Professor Rupert Lay.

Der Hochschullehrer arbeitet an der Kaderschmiede der Jesuiten in St. Georgen bei Frankfurt, als Theologe, Mediziner und Philosoph. 2.500 Manager sind schon durch die harte Schulde des unerbittlichen Jesuiten gegangen. Seine Seminare mit dem spröden Titel Dialektik für Manager sind bereits ausgebucht, ehe die Veranstalter - die Hohenstein Institute in Neckargemünd - ihre Prospekte gedruckt haben.

Sieben Manager aus ganz unterschiedlichen Branchen - von der Bierbrauerei über Kältetechnik bis zur Computerindustrie - haben einen Platz bei dem Psychotherapeuten Rupert Lay ergattert. Ihre Firmen blättern für den Dreitagekurs rund 8.000 D-Mark auf den Tisch.

Den Grund kennt der Repräsentant des Veranstalters, ein Rentner, der sich selbst in die Gruppe „wir Manager“ gruppiert: „Die Vierzigjährigen wollen alle noch ein Treppchen hinauf.“

Bei diesem schwierigen Treppenaufgang vertrauen sich die Führungskräfte ganz dem 61jährigen Mit-Bruder des berühmten Frankfurter Jesuiten von Nell-Breuning an. Im „Schafhof“ in Amorbach im Oden wald suchen die ausgelaugten Manager nach neuem Sinn und verläßlicher Orientierung.

Der gefragte Bestseller-Autor (Meditationstechniken für Manager, Dialektik für Manager - Methoden des erfolgreichen Angriffs und der Abwehr und so weiter) will die „Macht der Moral“ in die Chefetagen tragen. Er will seinen Schützlingen beibringen, ihre verschütteten emotionalen Fähigkeiten neu zu entdecken. Verhaltenstraining, einfache Tricks und die bekannten Machttechniken für Manager lehnt er dagegen ab.

„Es kommt darauf an, verkrustete psychische Strukturen aufzubrechen und in dieser psychischen Labilität sehr viel genauer bereit zu sein, zu erfahren, wer bin ich denn nun tatsächlich? Wo liegen meine Grenzen?“ Dem forschen Pater geht es mit dieser Konzeption zunächst darum, seine Schüler unter Streß zu setzen. Statt gewohntem Lob und Anerkennung bekommen die Teilnehmer eine Konfrontation mit ihren Charakterschwächen aufgedrückt.

Während den Interview- und Rhetorikübungen strapaziert der professionelle Konfliktberater schonungslos seine Schützlinge und kanzelt die Manager ab: „Sie lügen.“ „Bitte sagen sie doch einmal die Wahrheit, damit wir wenigstens etwas Achtung vor Ihnen bewahren können.“ „Ihnen hat man offenbar auch den Kopf amputiert.“

Kleinlaut lassen die hochbezahlten Führungskräfte die ungewohnten Attacken und Provokationen über sich ergehen. Selbst am dritten Seminartag gibt es keinen Widerspruch. Abweichendes Verhalten wird sofort mit einem Gegenschlag beantwortet. Dieser Schlagabtausch gehört eben zur dialektischen Ausbildung.

In den Pausen müssen die Manager Hausaufgaben büffeln, Lays Texte studieren und den genau dosierten Lernstoff vertiefen. Trotz dieses Streßprogramms ziehen die meisten Managementschüler eine positive Bilanz: Ganz nach Programm ist von „Motivationsspritzen“, „Startsignalen zur Selbstbesinnung“, der „Aufforderung zur Selbstreflexion“ die Rede.

Das Lernziel, der „sittlich verantwortliche Unternehmer“, scheint nach drei Tagen offensichtlich erreicht zu sein. Übereinstimmung herrscht bei Lehrer und Schülern, daß der „Weg über Tarifverträge und gewerkschaftliche Arbeit, Humanität in die Betriebe zu bringen, von vorneherein erfolglos ist“. „Das geht nur von oben nach unten.“ Dieser Managerzynismus vereinigt wieder alle. Die Seelen sind entsorgt, der „Kampf“ in den Betrieben kann weitergehen. Bevor die aufgestachelten Manager abreisen, müssen sie noch eine Privataudienz beim Pater absolvieren. Konkrete Lebensvorschläge und ein Aufbauseminar auf einer einsamen Insel in Fuerteventura, Kenia oder den Malediven werden fest verabredet.

Bei diesen Ausflügen auf einsame Sonneninseln, wo Pater Lay seinem Hobby als Tiefseetaucher nachgeht, sollen die Manager dann endgültig von den „Zwängen des Habens“ befreit werden.